The Einstein Tower
Hentschel
The Einstein Tower
Von K. Hentschel.
Stanford University Press, Stanford 1997. XV + 226 S.,
ISBN 0-8047-2824-0
Meine spontane kritische Reaktion bei der Lektüre dieses Buches über den Einsteinturm und die Wissenschaftsgeschichte, die sich um dieses Gebäude rankt, war Folgende: Die zentrale Figur, die durch das ganze Buch führt, ist Erwin Freundlich, und dieser wird weder im Titel noch im Untertitel erwähnt. Doch dann wird deutlich, dass dies offenbar bewusst geschehen und auch gerechtfertigt ist. Es ist keine Biographie Freundlichs (und eine solche hätte bei dem geringen Bekanntheitsgrad von Freundlich über die Fachwelt hinaus kaum die Verbreitung gefunden, die dieses Buch verdient). Freundlich ist vielmehr eine Art "Probekörper", der den Leser durch dieses Geflecht von Befürwortern und Förderern auf der einen und wissenschaftlichen oder politischen Gegnern der Relativitätstheorie (RT) auf der anderen Seite führt. An seinem Beispiel werden zwei Jahrzehnte spannender Wissenschaftsgeschichte dargelegt.
Freundlich war als einer der ersten Astronomen sofort von Einsteins RT überzeugt, wurde weltweit ihr Sprachrohr und setzte sich sofort für den experimentellen Nachweis (Lichtablenkung am Sonnenrand und Rotverschiebung im Sonnenspektrum) ein. Einstein war an diesen Tests dringend interessiert. Leider blieb der Erfolg lange aus. Bei seinen Bemühungen schoss Freundlich über das Ziel hinaus und bekam Streit mit prominenten Gegnern, aber auch mit Befürwortern der RT wie Schwarzschild und Sommerfeld. Selbst Einstein wandte sich zeitweilig von ihm ab. In seiner Begeisterung schadete Freundlich sich selbst und der Sache mehr, als er ihr nützte. Zu persönlicher Feindschaft kam es vor allem mit dem Direktor des Astrophysikalischen Observatoriums Hans Ludendorff.
Fortschritte in den USA gaben den Anstoß zum Bau eines Turmteleskops für die Sonnenphysik. Freundlich wurde sofort aktiv, und im Rahmen einer Einsteinspende kamen durch Sponsoren ca. 1,5 Mio. Mark zusammen. Es kam mit dem genialen Architekten E.Mendelsohn zum Bau des bald weltberühmten Einsteinturms. 1930 setzte sich Freundlich mit seiner Idee der Photon-Photon-Wechselwirkung noch einmal zwischen alle Stühle. 1933 kam die politische Wende, Mendelsohn und Einstein emigrierten sehr schnell. Freundlich war naiver. Er hielt alle Probleme zunächst für persönliche Machenschaften Ludendorffs, aber als Anhänger der RT und Freund Einsteins wurde auch er bald gezwungen zu emigrieren. Der Einsteinturm wurde in "Institut für Sonnenphysik" umbenannt. In Freundlichs Person spiegelt sich der ganze wissenschaftlich-politische Streit um die RT wider. Dies herausgearbeitet und im Detail beschrieben zu haben ist das bleibende Verdienst des Autors.
Prof. Dr. Hans- Heinrich Voigt, Universität Göttingen
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