18.09.2003

The Sun, The Genome, and The Internet. Tools of Scientific Revolutions

Dyson

The Sun, The Genome, and The Internet. Tools of Scientific Revolutions

Von F. J. Dyson.
Oxford University Press, Oxford 1999. XVI + 124 S., Hardback,£ 15.99.
ISBN 0-19-512942-3

Dieses kurze, anregende und unterhalt same Buch behandelt ein breites Spektrum von Themen; neben Fragen aus der Wissenschaftsphilosophie (Welche Rolle spielen technische Geräte bei wissenschaftlichen Revolutionen?) und der Wissenschaftsethik (Führt technologischer Fortschritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit?) geht es u.a. um neuartige Energiequellen und Raketenantriebe, sowie um die Chancen und sozialen Folgen der sog. Reproduktionsgenetik (reprogenetics), d.h. der direkten Manipulation des menschlichen Genoms. Auch Dysons langjähriges Steckenpferd, die Erkundung und Kolonialisierung des Weltraums, kommt nicht zu kurz. Hier hat Dyson die etwas abenteuerlich anmutende Idee, dass ein Teil der Menschheit gegen Ende dieses Jahrhunderts die high road nehmen und Objekte außerhalb der Erde besiedeln wird. Obwohl unklar bleibt, warum nicht zunächst damit begonnen werden sollte, die Ozeane zu besiedeln (was sicher einfacher zu realisieren wäre), gibt es eine Reihe von Gründen dafür, die Erde irgendwann zu verlassen: Sie reichen von reiner Neugierde bis hin zur Vermeidung von sozialen Konflikten, die aus einer Spaltung der Menschheit in mehrere Gruppen resultiert. Dyson hält eine solche Spaltung für möglich, da nicht jeder - etwa aus religiösen Gründen - in gleichem Maße von den Methoden der Reproduktionsgenetik Gebrauch machen wird. Das führt dazu, dass sich einige von uns "nur" mit der Geschwindigkeit der natürlichen Evolution weiterentwickeln werden, während andere den natürlichen Gang der Dinge gezielt beschleunigen. Dass das Ganze dennoch nicht in sozialer Ungleichheit endet, wie Dyson hofft, darf allerdings bezweifelt werden.

Neben diesen Spekulationen bietet das Buch aber auch viel Bodenständiges. So werden eine Reihe von wissenschaftlichen Forschungsprogrammen, wie das Human Ge nome Project, das Vorhaben zur Erforschung der nördlichen Hemisphäre und das Space-Shuttle-Programm der NASA, diskutiert. Interessant ist dabei nicht zuletzt, wie Dyson die einzelnen Programme miteinander vergleicht. Am Human Genome Project stört ihn zum Beispiel, dass Biologen (im Gegensatz zu Physikern) seiner Meinung nach zu wenig an der Weiterentwicklung der von ihnen verwendeten Instrumente und Methoden arbeiten (gemeint sind hier konkret Sequenzierungsmethoden). Das würde mittel- bis langfristig Zeit und Kosten sparen und das Programm selbst im Hinblick auf Anschluss projekte interessanter machen. Außerdem hält Dyson das Human Genome Project insgesamt für zu sehr von politischen Interessen dominiert, was der Wissenschaft selbst nicht gut tut: "In science, to change the objectives of a program in the light of new discoveries is a sign of wisdom. In politics, it is a sign of weakness. Unfortunately, politics prevailed over science." (S. 33)

Dysons Hauptanliegen besteht darin zu zeigen, wie die Lebensbedingungen aller Menschen durch Wissenschaft und Technik verbessert werden können. Dazu gehört auch ein Internet-Zugang für jeden; eine Feststellung, die Dyson in der ihm eigenen Weise jedoch nicht einfach so stehen lässt, sondern im Detail auf ihre Voraussetzungen und technische Realisierbarkeit hin analysiert. So setzt die Nutzung des Internets etwa die Versorgung mit elektrischer Energie voraus, was gerade in der Dritten Welt nicht immer gegeben ist. Dyson regt daher an, gentechnisch Pflanzen zu züchten, die durch Photosynthese Energie in Form von Treibstoff produzieren, der direkt durch die Wurzeln in unterirdische Pipelines gepumpt wird und dann weiterverarbeitet werden kann.

Bei all seinen Überlegungen wägt Dyson sorgfältig ab und versucht, das gesamte vorliegende Wissen der verschiedenen Disziplinen in seinen Überlegungen zu berücksichtigen. Viele von Dysons Spekulationen mögen reichlich abgehoben sein, sie zeigen aber, dass eine andere (und vielleicht auch eine bessere) Welt möglich ist, und sie zeigen da rüber hinaus, dass das, was in der Zukunft neu und wichtig sein wird, voraussichtlich gerade an den Schnittstellen zwischen den einzelnen Disziplinen entstehen wird. Dysons Buch macht nicht zuletzt deutlich, dass wir bei vielen der anstehenden wissenschaftlichen Projekte nicht umhin kommen werden, weit über den eigenen disziplinären Tellerrand hinaus zu schauen. Man mag Dysons konkrete Visionen teilen oder nicht. Mich hat neben der Überschätzung von Astronomie und Raumfahrt zum Beispiel gewundert, dass an keiner Stelle auf die Möglichkeiten der Nanotechnologie eingegangen wird. In jedem Fall stellt das vorliegende Buch eine kurzweilige und auf jeder Seite überaus anregende Lektüre dar, die den Lesern dieser Zeitschrift ohne Einschränkung empfohlen werden kann.
Dr. Stephan Hartmann, Fachbereich Philosophie, Universität Konstanz

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