Time, Quantum and Information
Castell, Ischebeck (Hrsg.)
Time, Quantum and Information
Der 90. Geburtstag von Carl Friedrich von Weizsäcker war der Anlass, in einem Band physikalische und naturphilosophische Beiträge von Mitarbeitern, Kollegen und Freunden zu sammeln, die Weizsäckers Sicht auf die wissenschaftlich-technische Welt erläutern und kommentieren und auf die Grundlagen und den Aufbau der Physik, insbesondere der Quantentheorie, eingehen.
Geburtstagsbriefe von Hans A. Bethe, Edward Teller und Jürgen Habermas sowie eine Würdigung von Reimar Lüst leiten die Sammlung ein. Die Vielfalt der Beiträge und die im Anhang beigefügten biografischen und bibliografischen Daten (einschließlich Festschriften, Ehrungen, Preise) zeigen Weite, Tiefe und Universalität des Weizsäckerschen Denkens. Im vorliegenden Band werden ausgewählte Teilaspekte behandelt, beginnend in Teil I mit Beiträgen zur Verantwortung der Wissenschaftler und der Kompetenz der Physiker. Teil II berichtet über Weizsäckers Arbeiten zur Kern- und Astrophysik und Teil III enthält Artikel über die Weizsäckersche Naturphilosophie und die damit verknüpften Zeitbegriffe, wie die "globale" und "fractale" Zeit.
Die zweite Hälfte des Bandes (Teil IV und V) stellt Weizsäckers Entwurf zum einheitlichen Aufbau der Physik, insbesondere der Quantenphysik, vor. Eine Basis des Entwurfs sind Eigenschaften physikalischer Messungen, deren Informationsinhalt sich auf Wahrscheinlichkeiten von Ja-Nein-Entscheidungen zurückführen lässt. Solchen Messungen können Quantenstrukturen aufgeprägt werden, die algebraisiert und geometrisiert zu mathematischen Objekten führen, die Weizsäcker "Ure" nennt und die den Qubits der Quanteninformatik entsprechen. Ure könnten als Bausteine einer Physik angesehen werden, die (zusammen mit einer Hintergrundtheorie) eine physikalische Raum-Zeit, Strukturen des Kosmos und mikroskopische Materieeigenschaften modellieren.
Weizsäckers Ansätze zum Aufbau der Physik sind, insbesondere auch bei jüngeren Physikern und physikalisch/philosophisch Interessierten, durch seine Universalität und Direktheit bekannt geworden. Die Ansätze sind motivierend, wurden aber bisher kaum vollständig untersucht, zumal es nicht leicht ist, für ausgewählte physikalische Systeme mit einem geeigneten mathematischen Formalismus experimentell nachprüfbare Resultate zu erhalten.
Einen "state of the art"-Bericht über Aufbau und Rekonstruktion einer Quantentheorie sowie die (physikalische) Raum-Zeit liefern die folgenden Beiträge von Physikern und Wissenschaftsphilosophen. Konkrete Ergebnisse werden im Zusammenhang mit kosmologischen Untersuchungen vorgestellt. Ebenso fehlt auch nicht ein Kurzbeitrag über einfache physikalische Argumente für die Modellierung von Messungen durch Ure. Beispielhafte und teilweise neue kosmologische Ergebnisse deuten an, dass ein mathematisch konsistenter Weg von Weizsäckers Entwurf zur Beschreibung physikalischer Effekte noch nicht hinreichend bekannt ist. Weitere instruktive Beiträge beschäftigen sich u. a. mit den Interpretationen der Quantenmechanik, Quantenlogik oder der Rolle der Information in der Quantentheorie.
Insgesamt reflektiert der Band Weizsäckers Denken, seine Naturphilosophie und seinen Entwurf zum einheitlichen Aufbau der Physik; sein öffentliches und politisches Wirken konnte in diesem Zusammenhang nur gestreift werden. Viele Beiträge beziehen sich auf die Weiterentwicklung und Bedeutung einzelner Arbeiten; sie regen zum Nachdenken über die Natur, die Physik und über Möglichkeiten einer mathematischen Modellierung und deren Interpretation an. Es lohnt sich, in den gut redigierten und anregenden Band zu schauen, insbesondere, weil über korrelierte Denkweisen und Resultate aus Physik und Naturphilosophie gemeinsam im Rahmen von Weizsäckers Ansätzen berichtet wird.
Prof. Heinz-Dietrich Doebner, Institut für Physik und physikalische Technologien, Technische Universität Clausthal
Weitere Infos:
L. Castell and O. Ischebeck (Hrsg.): Time, Quantum and Information
Springer, Berlin, korr. 2. Aufl. 2004, XIV+454 S., geb.,
ISBN: 3-540-44033-X