Verborgene Universen
Randall, L.
In diesem Buch behandelt Lisa Randall, Physik-Professorin in Harvard, einige der Ideen, die Theoretiker in den letzten Jahren in Bezug auf Physik jenseits des Standardmodells der Elementarteilchen intensiv diskutiert haben. Dabei ist es ihr ein besonderes Anliegen, die Möglichkeit von Extradimensionen und ihrer Konsequenzen für unsere vierdimensionale Raum-Zeit vorzustellen. Sie lässt in diesem Zusammenhang auch immer wieder durchblicken, mit welcher Faszination die Physiker ihre Ideen verfolgen. Im Stile von Hofstadters „Gödel, Escher, Bach“ eröffnet sie jedes Kapitel mit einer kleinen imaginären Geschichte, die auf das kommende Kapitel vorbereiten soll.
Anfangs erklärt die Autorin sehr ausführlich das Konzept zusätzlicher Raum-Zeit-Dimensionen, wobei sie thematisch bereits auf den Rest des Buches vorgreift, was aber die Neugier auf das Kommende eher steigert. Die für dieses Genre schon obligatorische Einführung in die Relativitätstheorie und Quantentheorie bewältigt sie standardmäßig in angenehm knapper Art und Weise. Die mittleren Kapitel über die Theorie der Elementarteilchen halte ich für sehr gelungen, und sie sind für Studenten der Physik sehr empfehlenswert. Randall lässt es hier nicht mit einigen historischen Anekdoten und ein wenig Teilchenphänomenologie auf sich bewenden, sondern hat den Ehrgeiz, auch die theoretischen Konzepte dem Leser nahe zu bringen. So finden sich sehr lesenswerte Kapitel über Symmetrien und Eichtheorien, spontane Symmetriebrechung, Renormierungsgruppe und Theorien der Großen Vereinheitlichung. Randall beschreibt hier sehr akkurat die theoretischen Argumente, welche den Schluss nahe legen, dass sich bei den Teilchenenergien, die am Large Hadron Collider am CERN zugänglich sein werden, neue Physik finden lassen sollte.
Die anschließenden Kapitel widmen sich einigen dieser bislang spekulativen Theorien wie der Supersymmetrie als Lösungsvorschlag für das Eichhierarchieproblem, gefolgt von einer Einführung in Konzepte der zehn-dimensionalen Stringtheorie. Im Gegensatz zu einigen jüngeren Büchern über die Stringtheorie ist Randalls Ansatz sehr viel pragmatischer, und sie stellt sehr gewissenhaft den momentanen Status dieser recht anspruchsvollen, aber eben noch nicht vollständig verstandenen Theorie der Quantengravitation dar.
Die letzten Kapitel widmen sich schließlich ihren eigenen Beiträgen zu den Branen-Welten. Hier wird, für den Laien sicher zu anspruchsvoll, beschrieben, wie Branen im Prinzip z. B. das Eichhierarchieproblem lösen können. Randall stellt soziologisch korrekt dar, wie sich hier Ideen aus der Stringtheorie mit den phänomenologischen Ansätzen der Teilchenphysiker treffen. Sie beschreibt die Fortschritte auf diesem Gebiet allerdings leider vorwiegend von ihrem Standpunkt als Modellbauerin für effektive Feldtheorien. So lesenswert der Großteil des Buches ist, so hat sie doch die Gelegenheit nicht genutzt, umfassender über die Fortschritte auf dem Gebiet der Branen-Welten zu berichten. Als weiterer Kritikpunkt sind einige historische Fehler zu nennen (z. B. ist Julius Wess Österreicher und nicht Deutscher). Auch der Sinn einiger Nebenbemerkungen, wie „über die Stränge schlagende Holländer“, erschließt sich wohl nur Eingeweihten.
Zusammenfassend halte ich das Buch als Einführung in die Physik diesseits und jenseits des Standardmodells für sehr lesenswert. Die Kapitel über Branen-Welten sind allerdings stark individuell geprägt.
Priv.-Doz. Dr. Ralph Blumenhagen, Max-Planck-Institut für Physik, München
L. Randall: Verborgene Universen
S. Fischer Verlag, 2006, 544 S., geb.