18.11.2025

Generationen der Verantwortung

Die physikalischen Gesellschaften Japans und Deutschlands unterzeichneten in Münster eine „Erklärung für die Zukunft“.

Alexander Pawlak / DPG

Die Physik zeigt wie keine andere Disziplin die Janusköpfigkeit der modernen Wissenschaft: Relativitätstheorie und Quantenmechanik haben zu enormen Fortschritten für die Zivilisation geführt, doch sie bilden auch die Grundlage für die Entwicklung von Nuklearwaffen. Der Einsatz von Atombomben in Hiroshima und Nagasaki mit ihren verheerenden Folgen für die dortige Bevölkerung bleibt ein Fanal für die Weltgemeinschaft und die internationale Wissenschafts-Community.

Die nukleare Bedrohung setzte allerdings auch Initiativen für Verantwortung und Frieden in Gang. Den Anfang machte das Russell-Einstein-Manifest am 9. Juli 1955, das eindringlich vor den Folgen eines Nuklearkriegs warnte. Weitere ähnliche Aufrufe folgten, etwa 1957 die „Göttinger Erklärung“, in der sich die Unterzeichner verpflichteten, nicht in irgendeiner Weise für und an Nuklearwaffen zu arbeiten. Zuletzt warnten 129 Nobelpreisträger:innen und die IUPAP im Juli 2025 vor der Gefahr eines nuklear geführten Krieges und mahnten insbesondere zeitnahe Maßnahmen an, welche die längerfristigen Bemühungen um nukleare Abrüstung unterstützen können.

In diese Appelle reiht sich die gemeinsame „Erklärung für die Zukunft“ ein, welche die Präsidenten der deutschen und japanischen Physikalischen Gesellschaften am 14. November im historischen Friedenssaal des Münsteraner Rathauses unterzeichnet haben. Mit dieser Erklärung sprechen beide Gesellschaften eine eindringliche Warnung vor den Gefahren aus, die von Atomwaffen – gleich welcher Art – ausgehen. Zugleich verweisen sie auf die Risiken, die bereits durch jede Form atomarer Aufrüstung entstehen.

In der Erklärung heißt es (hier in deutscher Übersetzung):

Die Bewältigung künftiger Herausforderungen wie der globalen Erwärmung, der nachhaltigen Energieerzeugung, der Umweltverschmutzung und der nachhaltigen Entwicklung erfordert einen kontinuierlichen interdisziplinären Dialog zwischen Wissenschaftlern, politischen Entscheidungsträgern und Interessengruppen. Darüber hinaus sind Wissenschaftsdiplomatie und Diskurse innerhalb der globalen Wissenschaftsgemeinschaft unerlässlich.

In Bezug auf den Ort der Unterzeichnung heißt es weiter, dass Münster als Ort des Westfälischen Friedens von 1648 daran erinnere, dass die Früchte der Wissenschaft friedlichen Zwecken und dem Wohlergehen der Menschheit dienen sollten – und nicht Krieg, Zerstörung oder dem Untergang der Zivilisation.

„Wir setzen uns für eine Zukunft ohne Atomwaffen ein, weil wir davon überzeugt sind, dass die Menschheit und dieser Planet eine gute Zukunft haben sollten und können“, sagte DPG-Präsident Klaus Richter. Ein entscheidender Aspekt der deutsch-japanischen Erklärung ist ihre ausdrückliche Zukunftsorientierung. Sie wendet sich speziell an die jüngeren Generationen, welche die Zukunft gestalten, und fordert diese auf, sich mit den globalen existenziellen Herausforderungen der Menschheit wie dem Klimawandel oder der nuklearen Kriegsführung auseinanderzusetzen und sich für den Fortschritt der Menschheit zu engagieren. Ganz aktuell droht das Auslaufen des „New START“-Vertrags, in dem sich Russland und die USA zur Verringerung strategischer Waffen bekennen.

„Wir müssen dies immer wieder in die Öffentlichkeit tragen und das Bewusstsein für die nukleare Bedrohung sowie die konstruktiven Maßnahmen dagegen schaffen“, betonte Seiji Miyashita, Präsident der Physical Society of Japan (JPS), in seiner Ansprache. Die JPS, deren Ursprünge bis ins Jahr 1877 reichen und die derzeit 16.000 Mitglieder hat, beschloss im Jahr 1967, keine Gelder von in- wie ausländischen Militärbehörden anzunehmen oder keinerlei Kooperationsbeziehungen mit diesen zu unterhalten.

Aufrufe und Appelle

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Die Initiative zur gemeinsamen Erklärung ging von der Physikalischen Gesellschaft von Japan (JPS) aus. Eine deutsch-japanische Expertengruppe erarbeitete den Text, der anschließend von den jeweiligen Gremien beider Organisationen – im Falle der DPG vom Vorstandsrat – verabschiedet wurde. Die feierliche Unterzeichnung fand im Rahmen der deutschen Abschlussveranstaltung des Internationalen Jahres der Quantenwissenschaft und -technologie 2025 in Anwesenheit einer großen japanischen Delegation statt.

Dazu zählte auch Michiji Konuma, emeritierter Professor für theoretische Physik der Keio-Universität in Tokyo und ehemaliger Präsident der JPS. Der 94-Jährige konnte als authentischer Zeitzeuge und immer noch engagierter Aktivist die Brücke von der Vergangenheit in die Zukunft schlagen. Wie die meisten Japaner erfuhr er erst 1952, dass es Atombomben waren, die Hiroshima und Nagasaki zerstört hatten.

In der auf die Unterzeichnung folgenden Festveranstaltung im Erbdrostenhof, einem barocken Adelspalais in Münster, berichtete er von dem Weg, der ihn zur Pugwash-Bewegung geführt hatte, an deren erster Konferenz er 1957 als junger Physiker teilgenommen hat. Sie ist nach ihrem Gründungsort, dem kanadischen Fischerdorf Pugwash benannt. Nicht zuletzt wegen ihres entscheidenden Anteils am Atomteststoppvertrag im Jahre 1963 und am Atomwaffensperrvertrag (1968) erhielten die Pugwash Conferences und ihr Mitbegründer Józef Rotblat je zur Hälfte den Friedensnobelpreis verliehen.

Für Konuma haben die zahlreichen Aktivitäten für Abrüstung und Rüstungskontrolle gezeigt, dass sich etwas erreichen lässt und sich ein Engagement auch in Zukunft lohnt. Seine Botschaft lautet: „Niemals aufgeben!“

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