Wissenschaftstheorie zur Einführung
Martin Carrier, Wissenschaftstheorie zur Einführung, Junius Verlag, Hamburg 2006 (5. Aufl. 2021), brosch, 192 S., ISBN 9783885066538
Carrier, M.
Carriers „Wissenschaftstheorie“ bietet keinen systematischen Gesamtüberblick über die Wissenschaftstheorie, sondern ist vielmehr eine Einführung anhand paradigmatischer Themen- und Problemkomplexe, mit einem Schwerpunkt auf dem Verhältnis zwischen wissenschaftlichen Hypothesen bzw. Theorien und der Empirie. Die Darstellung ist teilweise an der historischen Entwicklung orientiert, teils systematisch und teils problemorientiert.
Nach einer kurzen Einleitung, welche die Wissenschaftstheorie als gleichermaßen deskriptive wie normative Disziplin charakterisiert und sie im Feld ihrer Nachbardisziplinen (Wissenschaftssoziologie und -geschichte) positioniert, widmet sich Kap. 2 der historischen Entwicklung der Sichtweisen hinsichtlich des Verhältnisses von wissenschaftlichen Hypothesen und Empirie; im Vordergrund steht hierbei der Kontrast zwischen Francis Bacons vor allem an induktiven Verfahren orientierter und Karl Raimund Poppers hypothetisch-deduktiver Wissenschaftsmethodologie (sowie die Grenzen letzterer).
Kap. 3 thematisiert die verschiedenen Dimensionen der Theorienbeladenheit der Empirie und ihre Konsequenzen für die Überprüfung wissenschaftlicher Hypothesen und Theorien. Kap. 4 beschäftigt sich mit dem Problem der Bestätigung von Hypothesen angesichts ihrer induktiven Unterbestimmtheit sowie mit nicht-empirischen Kriterien zu ihrer Beurteilung; es schließt mit einem relativ überdimensionierten Abschnitt (26 S.) zum Bayesianismus ab.
Bilden die Kap. 2 bis 4 letztendlich eine thematische Einheit, so bietet Kap. 5 eine knappe hybride Themenauswahl zu den unterschiedlichen Aspekten des Wissenschaftswandels: grundlegende methodologische und konzeptionelle Elemente bei der Herausbildung der neuzeitlichen empirischen Wissenschaften, metatheoretische Überlegungen zum Wissenschaftswandel (Thomas S. Kuhns „wissenschaftliche Revolutionen“) sowie zum wissenschaftlichen Realismus, die zur Zeit vorangetriebene Unterwerfung der Wissenschaft unter die Anwendungsperspektive und ihre Konsequenzen.
In Kap. 6 geht es schließlich um den gesellschaftlichen Kontext und die gesellschaftliche Relevanz der Wissenschaft sowie um das Spannungsgefüge zwischen epistemischen und nicht-epistemischen (ethischen und sozialen) Werten.
Die Stärke der Darstellung ist in den vielfältigen exzellenten Beispielen zur Verdeutlichung wissenschaftstheoretischer Problemstellungen zu sehen.
Priv.-Doz. Dr. Reiner Hedrich, Institut für Philosophie, Universität Dortmund und Zentrum für Philosophie und Grundlagen der Wissenschaft, Justus-Liebig-Universität Gießen