3D-Druck mit doppelter Härtung
Filigrane Kunststoffteile können nun ohne Stützstrukturen gefertigt werden.
Eines der bekanntesten 3D-Druck-Verfahren von Kunststoffbauteilen arbeitet, vergleichbar mit der Stereolithographie, mit photolithographischer Belichtung, die das schichtweise Aushärten flüssiger Harze bewirkt. Dieses additive Verfahren besitzt jedoch einen erheblichen Nachteil: Es benötigt Stützstrukturen, die der Anwender in der Konstruktion einplanen, im Prozess zusätzlich bauen und anschließend am Produkt umständlich entfernen muss. Nun haben Forscher am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT in Aachen gemeinsam mit dem Unternehmen Rapid Shape aus Heimsheim eine effiziente Alternative zu diesem Verfahren entwickelt.
Abb.: Mit dem neuen 3D-Druck-Verfahren aufgebaute Ring-in-Ring-Struktur, hergestellt ohne tragende Stützstrukturen und ohne direkten Kontakt zur Bauplattform. (Bild: Fh.-ILT / Rapid Shape GmbH)
Nach wie vor kommt ein flüssiges Harz zum Einsatz, das Schicht für Schicht auf ein Harzreservoir aufgetragen wird. Eine Belichtungseinheit mit LED belichtet das flüssige Harz in der Schichtgeometrie des Bauteils. „Wie bei einem Beamer wird ein Bild in das Harzbad projiziert, und an den belichteten Stellen härtet das Polymer aus. An den anderen Stellen bleibt das Harz zunächst flüssig“, erklären Holger Leonards und Andreas Hoffmann vom Fraunhofer ILT.
Bisher kamen Stützstrukturen zum Einsatz, weil die oft filigranen Kunststoffbauwerke sonst in sich zusammenfallen würden. „Anwender stören sich an diesen verfahrensbedingten Stützen, denn zusätzliche Vorbereitung im CAD und die aufwändige Nachbereitung verzögern den Fertigungsprozess“, erläutert Andreas Geitner, technischer Leiter bei Rapid Shape. Das in Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie entstandene Verfahren kommt nicht nur ohne Stützen aus, sondern ermöglicht darüber hinaus eine Positionierung der Bauteile ohne Anbindung an die Bauplattform. „Wir können 3D-Komponenten direkt im Bauraum an beliebigen Stellen aufbauen“, erklärt Leonards. „Die Bauteile müssen nicht mehr auf der Bauplattform stehen. Wegen der effizienteren Nutzung des gesamten Bauraums lassen sich deutlich mehr Teile pro 3D-Druckjob herstellen.“
Die Aachener Wissenschaftler und ihre Industriepartner setzen dabei auf Hybridtechnik: Sie verfestigen das flüssige Monomer chemisch per Licht und thermisch per Kälte. „Das Material wird in warmen Zustand aufgetragen und dann per Licht irreversibel ausgehärtet“, sagt Leonards. „Gleichzeitig sorgt der gekühlte Bauraum dafür, dass das schichtweise entstehende Duroplast-Bauteil mit dem zum wachsartig erstarrten Harz zu einem Block festfriert.“ Der Anwender kann diesen anschließend bei Raumtemperatur verflüssigen, sodass das stützende Material abfließt: Übrig bleiben die 3D-gedruckten Bauteile, die nur noch kurz gereinigt und nachgehärtet werden. Auch diese Schritte sollen künftig automatisiert in einer Prozesskette ablaufen können.
Wegen des Einsatzes von zwei Härteverfahren nennt sich das Verfahren im Entwicklungsstadium „TwoCure“. Die Verfahrensidee ist in einem gemeinsamen Workshop entstanden. Für diesen neuartigen 3D-Druck wurden das Material und der photochemische Prozess vom Fraunhofer ILT entwickelt und das Verfahren sowie die Anlagentechnik erfolgreich von Rapid Shape umgesetzt. Der erste Prototyp ist bereits aufgebaut und soll demnächst bis zur Serienreife weiterentwickelt werden. Erfolgreich erprobt wurde die neue Form des Kunststoff-3D-Drucks mit Modellen für die Schmuckindustrie. Diese Modelle werden verwendet, um beispielsweise Schmuck-Ringe herzustellen. Die Schmuckhersteller stellen die Modelle bisher mit Stützstrukturen her und müssen diese dann sehr aufwändig entfernen und anschließend noch die Oberfläche glätten. Diese letzten beiden Arbeitsschritte sind teuer und überflüssig. Durch das neue Verfahren kann zukünftig auf sie verzichtet werden.
Fh.-ILT / JOL