02.11.2018

3D-Druck ohne Kompromisse

Harzbasiertes 3D-Druckverfahren benötigt keine störenden Stützstrukturen mehr.

Das Fraunhofer-Institut für Laser­technik ILT hat das „TwoCure“-Verfahren zur industrie­reifen Maschinen­technik weiter­entwickelt: Ihre neue „TwoCure“-Anlage präsentieren die Aachener auf der formnext vom 13. bis zum 16. November in Frankfurt am Main. Mit­hilfe des harz­basierten 3D-Drucks lassen sich Kunststoff­bauteile dabei ohne stützende Strukturen in großen Stück­zahlen in einem auto­matisierten Prozess produzieren.

Abb.: Durch Schmelzen bei Raum­temperatur lösen sich die additiv gefertigten Kunst­stoff­bauteile aus den gefrorenen Blöcken heraus. (Bild: Fh.-ILT)

Eine systembedingte Eigenart stört: Die Rede ist von den um­ständlichen Stütz­strukturen, auch supports genannt, die jeder Anwender des harz­basierten 3D-Drucks kennt. Zum einen erfordern sie zusätzliche Vorbereitung (Planung im CAD), zum anderen müssen die Stütz­strukturen nach dem Druck auf­wändig entfernt werden. Sie ver­ursachen manuelle Arbeits­schritte und vermeid­baren Abfall. Das „TwoCure“-Verfahren arbeitet ähnlich wie die Stereo­litho­graphie mit photo­litho­graphischer Belichtung, die das schicht­weise Aus­härten flüssiger Harze bewirkt. Bisher waren hier Stütz­strukturen unum­gänglich, weil die oft filigranen Kunst­stoff­bauwerke gestützt werden und an eine Bau­platt­form angebunden sein müssen.

Als Alternative entwickelten Forscher des Fraunhofer ILT im Rahmen eines staatlich geförderten Projekts das „TwoCure“-Verfahren, bei dem flüssiges Harz schicht­weise auf bereits gehärtetes Harz aufgetragen wird. Wie bei einem Video­projektor projiziert eine LED-Belichtungs­einheit die Schicht­geometrie des Bau­teils in das flüssige Harz­bad, das an den belichteten Stellen aushärtet. Die anderen Harz­bereiche werden durch Abkühlen verfestigt, wodurch die aus­gehärteten Strukturen support-frei im gesamten Volumen schweben können. Das gesamte 3D-Bau­volumen und nicht nur die Bau­platt­form der Maschine lässt sich somit zum Druck nutzen.

Die Entwickler aus Aachen setzen auf das geschickte Zusammen­spiel von Licht und Kälte: Das Aus­härten des Bau­teils geschieht chemisch per Licht und das Verfestigen des um­gebendem Materials thermisch per Kälte. „Das Material wird im warmen Zustand aufgetragen und dann per Licht irreversibel aus­gehärtet“, sagt Holger Leonards, Projektleiter „TwoCure“ am Fraun­hofer ILT. „Gleich­zeitig sorgt die gekühlte Maschine dafür, dass das schicht­weise entstehende Bauteil mit dem zum wachs­artig erstarrten Harz zu einem Block fest­friert.“ Er lässt sich anschließend bei Raum­temperatur verflüssigen, sodass das stützende Material abfließt. Übrig bleiben nur die 3D-gedruckten Bau­teile, die nur noch kurz gewaschen und nach­gehärtet werden.

Den Begriff „TwoCure“ verdankt das Verfahren auch dieser Hybrid­technik, für die in Aachen eine Maschine mit einem Bau­raum von derzeit zirka einem Liter Bau­volumen und einer lateralen Auflösung von rund fünfzig Mikrometern (pixel pitch) entstand. Die Technologie kommt für alle Unter­nehmen infrage, die viele individuelle Kunst­stoff-Klein­teile oder Klein­serien bis hin zur Losgröße 1000 herstellen. So lassen sich mit einer Anlage künftig beispiels­weise mehrere 100 individuelle Oto­plastiken für Hör­geräte, Formen für die Schmuck­herstellung oder Klein­serien an Kunst­stoff-Komponenten täglich mit dieser Technologie fertigen. Bisher benötigten Anwender für diesen Durch­satz mehrere 3D-Druck­maschinen. Leonards: „Wir hoffen, dass wir mit der ‚TwoCure‘-Technologie den Weg für eine additive Produktion von Kunst­stoff­bauteilen in einer Maschine ermöglichen, ohne dabei eine Maschinen­farm bereitstellen zu müssen.“

Für das Verfahren spricht nicht nur der 3D-Druck ohne Stützen: Es ermöglicht darüber hinaus eine Positionierung der Bau­teile ohne Anbindung an die Bau­platt­form. Der Anwender kann 3D-Komponenten direkt im Bau­raum an beliebigen Stellen aufbauen, daher müssen sie nicht mehr auf der Bau­platt­form stehen. Es lässt sich daher der gesamte Bau­raum besser nutzen und der Betreiber kann deutlich mehr Teile pro 3D-Druck­job herstellen. Leonards: „Die Maschine zeichnet sich auch durch einen sehr geringen Aufwand für die Vor- und Nach­bearbeitung aus. Im Prinzip sind die Bau­teile nach der additiven Produktion komplett einsatz­bereit, weil das Entfernen der Stütz­strukturen entfällt. Es verbleiben nur die Prozess­schritte Waschen und Nach­härten, die jedoch problem­los in eine automatisierte Prozess­kette eingebunden werden können.“

Hinzu kommt der geringe Aufwand für das Handling, weil die Maschine den gefrorenen Block auto­matisch in ein Magazin auswirft, um mit der Produktion des nächsten Blocks fortzufahren. „Geplant ist, dass der Anwender 3D-Druck­jobs in eine virtuelle Warte­schlange schieben kann, die rund um die Uhr im Geister­schicht-Betrieb abgearbeitet wird“, blickt Leonards in die Zukunft. „Es lässt sich also lang­fristig eine additive Produktion nach dem 24/7-Prinzip realisieren.“

Nach dem Bau der ersten produktions­reifen Maschine steht die Weiter­entwicklung an. Das Fraun­hofer ILT befindet sich auf der Suche nach weiteren Kooperations­partnern, die das Forscher­team bei den nächsten Schritten unter anderem bei der Evaluierung des Prozesses im Produktions­betrieb, bei der Anpassung der Soft­ware sowie bei der Optimierung der Werk­stoffe unterstützen. Gründe genug für Interessenten, mit den Experten des Fraunhofer ILT Kontakt aufzunehmen, zum Beispiel auf dem Fraunhofer-Gemeinschafts­stand E70 in Halle 3.0 der formnext vom 13. bis zum 16. November 2018 in Frankfurt am Main.

Fh.-ILT / DE

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