12.12.2022 • Energie

3D-Energiemodell einer ganzen Stadt

Besser sparen mit einem bundesweit einmaligen Energiemodell für alle Wohngebäude.

Angesichts der aktuell befürchteten Energie­knappheit im Wärmesektor diskutieren Politik, Wirtschaft und Gesellschaft intensiv über den Heizenergie­bedarf und mögliche Einspar­maßnahmen für Industrie, Gewerbe und private Haushalte. Grundlage dafür ist eine belastbare Datenbasis. Genau daran arbeiten jetzt Forschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zusammen mit dem global tätigen Energie-Unternehmen Shell. Unterstützt werden sie dabei von dem Klimaschutz­management und der Stabsstelle Digi­talisierung der Landes­hauptstadt Kiel. Gemeinsam bringen sie Wissenschaft in die kommunale Energie­planung. Ein neues Modell liefert räumliche Daten und Szenarien zum Wärmebedarf einer kompletten Stadt.

Abb.: Blick auf die Kieler Hörn und das 3D-Gebäudemodell der Stadt. Die roten...
Abb.: Blick auf die Kieler Hörn und das 3D-Gebäudemodell der Stadt. Die roten Bereiche zeigen einen besonders hohen Energiebedarf. (Bild: U. Kiel)

Das Sustainable Design Lab (SDL) am Massachusetts Institute of Technology MIT in Boston hatte in einer Kooperation mit Shell eine „Urban Building Energy Modeling“ (UBEM) Software entwickelt. Dieses Tool stellten die Partner nun auch den Kieler Forschenden des Kompetenz­zentrums Geo-Energie (KGE) und des Lehrstuhls für Landschaftsökologie & Geoinformation (LGI) zur Verfügung. Das Wissenschafts­zentrum Kiel hat die Kooperation und den Wissens­transfer angestoßen. Um das Software-Werkzeug vor Ort anwenden zu können, hat die Stadt Kiel den Forschenden ein bereits vorhandenes, digitales 3D-Modell des Gebäude­bestands zur Verfügung gestellt.

Diese räumlichen Daten verknüpften sie dann mit hoch­aufgelösten, lokalen Wetterdaten sowie mit typischen Parametern zu den thermischen Material­eigenschaften des schleswig-holsteinischen und insbesondere des Kieler Gebäudebestands im UBEM. Innerhalb von sechs Monaten wurden zunächst zwei Kieler „Energie­quartiere“ und anschließend – nach rund einem Jahr der Zusammenarbeit – der gesamte monatliche Heizbedarf für Raumwärme und Warmwasser des Wohngebäude­bestands der Landeshauptstadt Kiel modelliert und visualisiert. „Wir können mit der Software Datensätze und Fachwissen, welche bereits an unter­schiedlichen Stellen in der Stadtverwaltung vorliegen, neuartig kombinieren“, sagt Malte Schwane­beck vom KGE der Uni Kiel. „Dadurch schaffen wir einen räumlich und zeitlich sehr detailliert aufgelösten Gesamt­überblick über den derzeitigen Heizwärme­bedarf für die Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser im Wohngebäude­bestand einer ganzen Stadt, der so bisher vor Ort noch nicht bestand“, ergänzt der Wissen­schaftler.

Jens-Peter Koopmann, Klimaschutz­koordinator der Landes­hauptstadt Kiel, ergänzt: „Während die Energiewende im Strombereich bereits Fortschritte macht, hinkt der Wärmebereich noch stark hinterher. Dabei entfallen auf diesen Sektor ein Großteil des Energie­verbrauchs und damit auch der CO2-Emissionen. Die Stadt Kiel erarbeitet deshalb Quartiers­konzepte, die eine effiziente und klimaschonende Wärme­versorgung mit energetischen Sanierungs­maßnahmen kombinieren. Die Erfahrungen aus den Quartieren sollen helfen, eine Wärme­planung für die gesamte Stadt zu erarbeiten. Die bilden einerseits den aktuellen und prognos­tizierten Wärmebedarf sowie Wärmeversorgungs­strukturen ab und andererseits zeigen sie Potenziale für eine nachhaltige Wärmebereit­stellung und für Sanierungs­maßnahmen auf.“

Benjamin Ditel, Data & Tech Enabler von Kiel macht deutlich: „Auf Basis eines digitalen Zwillings einer Stadt oder Region, können wir ‚Was-Wäre-Wenn-Szenarien‘ anwenden. Dadurch können wir mögliche Auswirkungen simulieren, indem wir an unter­schiedlichen Stellschrauben drehen. Maßnahmen ließen sich hiermit gezielter ableiten.“ „Das Wissenschafts­zentrum steht für Innovationen, Nach­haltigkeit und Vernetzen. Deswegen freue ich mich, dass wir zur beispielhaften Anwendung des UBEM-Tools so viele Akteure in Kiel zusammenbringen konnten“, sagt die wissen­schaftliche Geschäftsführerin des Wissenschafts­zentrums, Wiebke Müller-Lupp. „Und natürlich hoffen wir auch, dass durch die erhobenen Daten der Energie­verbrauch der Stadt Kiel langfristig besser eingeschätzt werden kann und wir somit einen Beitrag zur Eindämmung der aktuellen Energiekrise leisten.“

Andreas Dahmke, Leiter und Sprecher des KGE, sieht in der Anwendung des UBEM-Tools in Kiel ein Leuchtturm­projekt: „Es wäre in unserem Sinne, dass die Methodik auch anderen Großstädten, Gemeinden oder kleinen Kommunen zur Verfügung gestellt werden könnte, denn bislang verfügen diese nicht über eine derartige unver­zichtbare Datenbasis für eine effektive Wärmewende. Gerade im Kontext der Thematik Klima­anpassung ist so eine Datenbasis wichtig, um perspek­tivisch andere Wetter- bzw. Klima­situationen zu simulieren, um Ideen für die thermischen Sanierungs­notwendigkeiten einer Stadt zu überprüfen.“

U. Kiel / JOL

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