3D-Energiemodell einer ganzen Stadt
Besser sparen mit einem bundesweit einmaligen Energiemodell für alle Wohngebäude.
Angesichts der aktuell befürchteten Energieknappheit im Wärmesektor diskutieren Politik, Wirtschaft und Gesellschaft intensiv über den Heizenergiebedarf und mögliche Einsparmaßnahmen für Industrie, Gewerbe und private Haushalte. Grundlage dafür ist eine belastbare Datenbasis. Genau daran arbeiten jetzt Forschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zusammen mit dem global tätigen Energie-Unternehmen Shell. Unterstützt werden sie dabei von dem Klimaschutzmanagement und der Stabsstelle Digitalisierung der Landeshauptstadt Kiel. Gemeinsam bringen sie Wissenschaft in die kommunale Energieplanung. Ein neues Modell liefert räumliche Daten und Szenarien zum Wärmebedarf einer kompletten Stadt.
Das Sustainable Design Lab (SDL) am Massachusetts Institute of Technology MIT in Boston hatte in einer Kooperation mit Shell eine „Urban Building Energy Modeling“ (UBEM) Software entwickelt. Dieses Tool stellten die Partner nun auch den Kieler Forschenden des Kompetenzzentrums Geo-Energie (KGE) und des Lehrstuhls für Landschaftsökologie & Geoinformation (LGI) zur Verfügung. Das Wissenschaftszentrum Kiel hat die Kooperation und den Wissenstransfer angestoßen. Um das Software-Werkzeug vor Ort anwenden zu können, hat die Stadt Kiel den Forschenden ein bereits vorhandenes, digitales 3D-Modell des Gebäudebestands zur Verfügung gestellt.
Diese räumlichen Daten verknüpften sie dann mit hochaufgelösten, lokalen Wetterdaten sowie mit typischen Parametern zu den thermischen Materialeigenschaften des schleswig-holsteinischen und insbesondere des Kieler Gebäudebestands im UBEM. Innerhalb von sechs Monaten wurden zunächst zwei Kieler „Energiequartiere“ und anschließend – nach rund einem Jahr der Zusammenarbeit – der gesamte monatliche Heizbedarf für Raumwärme und Warmwasser des Wohngebäudebestands der Landeshauptstadt Kiel modelliert und visualisiert. „Wir können mit der Software Datensätze und Fachwissen, welche bereits an unterschiedlichen Stellen in der Stadtverwaltung vorliegen, neuartig kombinieren“, sagt Malte Schwanebeck vom KGE der Uni Kiel. „Dadurch schaffen wir einen räumlich und zeitlich sehr detailliert aufgelösten Gesamtüberblick über den derzeitigen Heizwärmebedarf für die Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser im Wohngebäudebestand einer ganzen Stadt, der so bisher vor Ort noch nicht bestand“, ergänzt der Wissenschaftler.
Jens-Peter Koopmann, Klimaschutzkoordinator der Landeshauptstadt Kiel, ergänzt: „Während die Energiewende im Strombereich bereits Fortschritte macht, hinkt der Wärmebereich noch stark hinterher. Dabei entfallen auf diesen Sektor ein Großteil des Energieverbrauchs und damit auch der CO2-Emissionen. Die Stadt Kiel erarbeitet deshalb Quartierskonzepte, die eine effiziente und klimaschonende Wärmeversorgung mit energetischen Sanierungsmaßnahmen kombinieren. Die Erfahrungen aus den Quartieren sollen helfen, eine Wärmeplanung für die gesamte Stadt zu erarbeiten. Die bilden einerseits den aktuellen und prognostizierten Wärmebedarf sowie Wärmeversorgungsstrukturen ab und andererseits zeigen sie Potenziale für eine nachhaltige Wärmebereitstellung und für Sanierungsmaßnahmen auf.“
Benjamin Ditel, Data & Tech Enabler von Kiel macht deutlich: „Auf Basis eines digitalen Zwillings einer Stadt oder Region, können wir ‚Was-Wäre-Wenn-Szenarien‘ anwenden. Dadurch können wir mögliche Auswirkungen simulieren, indem wir an unterschiedlichen Stellschrauben drehen. Maßnahmen ließen sich hiermit gezielter ableiten.“ „Das Wissenschaftszentrum steht für Innovationen, Nachhaltigkeit und Vernetzen. Deswegen freue ich mich, dass wir zur beispielhaften Anwendung des UBEM-Tools so viele Akteure in Kiel zusammenbringen konnten“, sagt die wissenschaftliche Geschäftsführerin des Wissenschaftszentrums, Wiebke Müller-Lupp. „Und natürlich hoffen wir auch, dass durch die erhobenen Daten der Energieverbrauch der Stadt Kiel langfristig besser eingeschätzt werden kann und wir somit einen Beitrag zur Eindämmung der aktuellen Energiekrise leisten.“
Andreas Dahmke, Leiter und Sprecher des KGE, sieht in der Anwendung des UBEM-Tools in Kiel ein Leuchtturmprojekt: „Es wäre in unserem Sinne, dass die Methodik auch anderen Großstädten, Gemeinden oder kleinen Kommunen zur Verfügung gestellt werden könnte, denn bislang verfügen diese nicht über eine derartige unverzichtbare Datenbasis für eine effektive Wärmewende. Gerade im Kontext der Thematik Klimaanpassung ist so eine Datenbasis wichtig, um perspektivisch andere Wetter- bzw. Klimasituationen zu simulieren, um Ideen für die thermischen Sanierungsnotwendigkeiten einer Stadt zu überprüfen.“
U. Kiel / JOL