Bis Ende 2017 werden die Satellitenmissionen Sentinel-1, -2 und -3 des europäischen Copernicus-Programms ein tägliches Datenvolumen von mehr als zwanzig Terabyte generieren. Angesichts dieser Datenmengen sind neue Auswertungsverfahren erforderlich. Deshalb haben Wissenschaftler am Earth Observation Center des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt den TimeScan-Prozessor entwickelt und erfolgreich getestet. Mit Hilfe der neuen Anwendung wird aus einer Vielzahl von Satellitenaufnahmen, die über einen längeren Zeitraum aufgenommen wurden, ein einziges Informationsprodukt herausgearbeitet. Für den Test wurden über 450.000 Aufnahmen des amerikanischen Landsat-Satelliten aus dem Zeitraum 2013 bis 2015 verarbeitet und als "TimeScan-Landsat-2015"-Produkt veröffentlicht.
Abb.: Globaler TimeScan-Landsat-2015-Datensatz. (Bild: DLR)
Das "TimeScan-Landsat-2015"-Produkt ist ein bislang einzigartiger globaler Datensatz, der in kompakter Form Informationen über die Beschaffenheit der Landoberfläche liefert. Die rund fünfhundert Terabyte an Einzelaufnahmen wurden auf ein Zwanzigstel der ursprünglichen Größe komprimiert und können nun in Form eines globalen, wolkenfreien Datensatzes dargestellt werden. Die Entwicklung soll Wissenschaftler und Entscheidungsträger in Planungs- und Umweltbehörden unterstützen und unter anderem zu einem besseren Verständnis des weltweiten Phänomens der Urbanisierung beitragen. Sobald umfassende globale Zeitserien an Sentinel-Daten vorliegen, sollen diese auch als TimeScan-Datensätze verfügbar gemacht werden. Diese bieten auch außerhalb des urbanen Kontexts ein großes Potenzial für ein breites Anwendungsspektrum, zum Beispiel für Forschungsfragen des globalen Wandels mit Bezug auf Landbedeckungs- und Landnutzungskartierungen, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Überwachung von Polar- und Küstenregionen, Risikomanagement, Katastrophenvorsorge oder Ressourcenmanagement.
Das gesamte Verfahren ist für enorme Datenmassen ausgelegt und soll Endnutzern ermöglichen, die Informationen aus solchen – bislang für sie nicht handhabbaren – Datenmengen zu erschließen. Anders als bisher werden die verwendeten Satellitenaufnahmen daher nicht mehr zu den Endnutzern transferiert, sondern zunächst auf großen Rechenclustern verarbeitet, idealerweise unmittelbar dort, wo die Daten von den Satelliten empfangen werden. Dadurch entfällt die Verteilung immenser Datenmengen an eine Vielzahl einzelner Nutzer, die für ihre weiterführenden Auswertungen zudem keine eigene Hochleistungsrechner-Infrastruktur haben müssen. Vielmehr wird nur das Endprodukt der TimeScan-Verarbeitung an den Endnutzer geliefert und dessen Größe nimmt lediglich einen Bruchteil des ursprünglichen Eingangsvolumens an Daten ein.
Bei dem TimeScan-Landsat-2015 handelt es sich nicht, wie bei anderen globalen Satellitenbildern üblich, um ein einfaches Bildmosaik. Stattdessen wurden von den multispektralen Landsat-Aufnahmen spezielle Parameter zu Vegetation, Gewässern oder Besiedlung abgeleitet und deren zeitliche Charakteristik in Form von Minimum, Maximum und Mittelwert statistisch beschrieben. „Die Landsat-Mission hat in den letzten vier Jahrzehnten über vier Millionen Bilder aufgenommen und eignet sich daher ideal, um die Verarbeitung von Massendaten, wie sie die Sentinel-Missionen in den kommenden Jahren liefern wird, mit dem TimeScan-Prozessor zu testen“, erläutert Projektleiter Thomas Esch. „Unser globaler Datensatz hat eine räumliche Auflösung von dreißig Metern pro Bildpunkt. Dafür mussten wir insgesamt mehr als 1,5 Petabyte an Daten verarbeiten.“ Mit Hilfe des Endprodukts können beispielsweise global bebaute Flächen in einer bisher unerreichten Genauigkeit automatisiert kartiert werden. Dafür wird der Datensatz zusammen mit einem komplementären Produkt ausgewertet, das auf Basis von Sentinel-1 Radaraufnahmen gerechnet wurde. Darüber hinaus werden mit seiner Hilfe weltweit Bebauungsdichten und Grünflächenanteile innerhalb von Siedlungsgebieten abgeleitet.
Das TimeScan-Landsat-2015-Produkt ist auf der vom EOC koordinierten „Urban Thematic Exploitation Platform“ verfügbar und kann in naher Zukunft von jedem über den U-TEP-Geobrowser eingesehen werden. U-TEP ist eine von sechs „Earth Observation Exploitation“-Plattformen. Die Initiative wurde 2014 von der ESA ins Leben gerufen, um in Vorbereitung auf die europäischen Sentinel-Missionen neue Techniken zur Informationsgewinnung aus Erdbeobachtungsdaten zu entwickeln.
DLR / RK