Abstoßende Magnonen
Grundlage für eine Datenübertragung mit magnetischen Wellen.
Eine Datenübertragung, die mittels magnetischer Wellen anstelle elektrischer Ströme funktioniert – für viele Wissenschaftler ist das die Basis zukünftiger Technologien, mit der die Übertragung schneller und elektrische Bauteile kleiner und energiesparender gemacht werden können. Magnonen, die Teilchen des Magnetismus, dienen dabei als bewegliche Informationsträger. Vor knapp fünfzehn Jahren gelang es Forschern der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster erstmals, einen neuartigen Quantenzustand von Magnonen bei Raumtemperatur zu erreichen – ein Bose-Einstein-Kondensat aus magnetischen Teilchen bei sehr geringen Temperaturen.
Seither fällt auf, dass dieses Bose-Einstein-Kondensat räumlich stabil bleibt – obwohl die Theorie voraussagt, dass ein Kondensat aus Magnonen eigentlich zusammenfallen müsste, schließlich handelt es sich um anziehende Teilchen. Nun zeigen die Forscher erstmals, dass sich die Magnonen innerhalb des Kondensats abstoßend verhalten, was zur Stabilisierung des Kondensats führt. „Damit lösen wir einen langjährigen Widerspruch zwischen der Theorie und Praxis auf“, sagt Sergej O. Demokritov. Die Ergebnisse können für die Entwicklung zukünftiger Informationstechnologien relevant sein.
Das Besondere am Bose-Einstein-Kondensat ist, dass sich die Teilchen überwiegend im selben quantenmechanischen Zustand befinden. Der Zustand kann daher durch eine einzige Wellenfunktion beschrieben werden, woraus Eigenschaften wie die Suprafluidität resultieren. Die Suprafluidität zeichnet sich durch eine Null-Dissipation während der Bewegung des Kondensats bei tiefen Temperaturen aus. Zuvor waren die Vorgänge im Bose-Einstein-Kondensat ausschließlich in homogenen Magnetfeldern untersucht worden. Die Forscher verwendeten einen Mikrowellen-Resonator, der Felder mit Frequenzen im Mikrowellenbereich erzeugte, wodurch die Magnonen angeregt wurden und ein Bose-Einstein-Kondensat bildeten. Im aktuellen Experiment führten sie einen zusätzlichen Potenzialtopf ein. Dieser entspricht einem inhomogenen statischen Magnetfeld, das Kräfte erzeugt, die auf das Kondensat wirken. So konnten die Forscher die Wechselwirkung der Magnonen im Kondensat direkt beobachten.
Dazu nutzten die Brillouin-Streuung-Spektroskopie. Dabei wurde die lokale Dichte der Magnonen mit dem Laserlicht einer Sonde aufgezeichnet, das auf die Oberfläche der Probe fokussiert war. Auf diese Weise erhoben sie die räumliche Umverteilung der Kondensatdichte und beobachteten das Verhalten der magnetischen Teilchen unter verschiedenen experimentellen Bedingungen. Die erhobenen Daten ließen die eindeutige Schlussfolgerung zu, dass die Magnonen im Kondensat abstoßend zueinander interagieren und dadurch das Kondensat stabil bleibt. Darüber hinaus beobachteten die Forscher zwei charakteristische Zeiten der Dissipation: zum einen die Energie- und zum anderen die Impulsdissipation im Kondensat. Die Zeit der Impulsdissipation erwies sich als sehr lang. „Das kann der erste experimentelle Nachweis für eine mögliche magnetische Suprafluidität bei Raumtemperatur sein“, betont Sergej Demokritov.
Bisher wurde die Verwendung von Kondensaten aus magnetischen Teilchen vor allem durch die kurze Lebensdauer des Kondensats erschwert. „Unsere Erkenntnisse über bewegtes Kondensat und die Untersuchung des Magnon-Transports sowie die Entdeckung zweier unterschiedlicher Zeiten zeigen, dass die Lebensdauer nichts mit der Impulsdissipation des bewegten Kondensats zu tun hat“, sagt Igor Borisenko. Die Ergebnisse könnten daher neue Perspektiven für Magnon-Anwendungen in zukünftigen Informationstechnologien eröffnen.
WWU / JOL