Äquivalenzprinzip mit hoher Genauigkeit bestätigt
Lasermessungen des Abstands zwischen Mond und Erde zeigen Gleichheit von schwerer und anziehender Masse.
Eine der grundlegendsten Annahmen der fundamentalen Physik besagt, dass die verschiedenen Eigenschaften von Masse – Schwere, Trägheit und Anziehungskraft – im Verhältnis zueinander immer gleich bleiben. Wäre diese Äquivalenz nicht gegeben, würde das der Einstein’schen Relativitätstheorie widersprechen. Obwohl alle bisherigen Messungen das Äquivalenzprinzip bestätigen, müsste es aus quantentheoretischer Sicht eigentlich eine Verletzung geben. Diese Unvereinbarkeit zwischen der Einstein’schen Gravitationsphysik und der modernen Quantentheorie ist der Grund, warum immer genauere Tests des Äquivalenzprinzips einen hohen Stellenwert haben.
Einem Team des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation ZARM der Uni Bremen ist es jetzt zusammen mit dem Institut für Erdmessung der Leibniz-Universität Hannover gelungen, mit hundertfacher verbesserter Genauigkeit nachzuweisen, dass schwere und anziehende Masse immer gleich sind, unabhängig von der speziellen Zusammensetzung der jeweiligen Massen.
Die träge Masse widersetzt sich der Beschleunigung, die schwere Masse reagiert auf die Gravitation und sorgt auf der Erde für unser Gewicht. Die anziehende Masse bezieht sich auf die Anziehungskraft, die ein Körper ausübt, genauer gesagt die Größe seines Gravitationsfelds. Für die Allgemeine Relativitätstheorie ist die Äquivalenz dieser Eigenschaften von grundlegender Bedeutung. Daher wird sowohl die Gleichheit von träger und schwerer Masse als auch die Gleichheit von schwerer und anziehender Masse mit immer höherer Genauigkeit getestet.
Würde man hypothetisch davon ausgehen, dass schwere und anziehende Masse nicht gleich wären – ihr Verhältnis also vom Material abhängt – würden sich Objekte, die aus verschiedenen Materialien mit unterschiedlichen Massenmittelpunkten bestehen, selbst beschleunigen. Da der Mond aus einer Aluminiumhülle und einem Eisenkern besteht, deren Massenmittelpunkte gegeneinander versetzt sind, müsste sich dann eine Beschleunigung des Mondes ergeben.
Diese hypothetische Geschwindigkeitsänderung könnte man dank des „Lunar Laser Ranging“ mit hoher Genauigkeit ausmessen. Dabei werden Laser von der Erde auf die Spiegel ausgerichtet, die von den Apollo-Missionen und dem sowjetischen Luna-Programm auf dem Mond platziert wurden. Seitdem werden die Laufzeiten der Laserstrahlen aufgezeichnet. Das Forschungsteam konnte nun die Daten des „Lunar Laser Ranging“ von über fünfzig Jahren, von 1970 bis 2022, analysieren und auf solche Massenungleichheits-Effekte untersuchen. Da kein Effekt zu finden war, bedeutet dies, dass die schwere und anziehende Masse bis auf etwa 14 Nachkommastellen gleich sind. Das ist eine um zwei Größenordnungen bessere Abschätzung gegenüber der bisher besten Untersuchung von 1986.
Über diese neuesten Forschungsergebnisse zur Gleichheit der schweren und anziehenden Masse hinaus war das ZARM auch wesentlich an verbesserten Resultaten zu Gleichheit der trägen und schweren Masse beteiligt. Damit hat das Forschungsinstitut an der Universität Bremen bei allen Experimenten zum Äquivalenzprinzip maßgeblich dazu beigetragen, die Präzision der Ergebnisse erheblich zu verbessern.
ZARM / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
V. V. Singh et al.: Equivalence of Active and Passive Gravitational Mass Tested with Lunar Laser Ranging, Phys. Rev. Lett. 131, 021401 (2023); DOI: 10.1103/PhysRevLett.131.021401 - Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation, Universität Bremen
- Institut für Erdmessung, Leibniz-Universität Hannover