12.01.2015

Aerodynamische Lasermessungen mit Passagierjet

Erkenntnisse helfen bei der Entwicklung zukünftiger Trag­flächen.

Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist gemeinsam mit Airbus eine Weltpremiere gelungen: Erstmals haben sie im Flug die Luftströmung an der Tragfläche eines Passagierjets mit einem Laser sichtbar gemacht. Sie entwickelten ein Verfahren, das die oberhalb des Flügels vorbeiströmenden Nebeltröpfchen erfasst und damit die Luftbewegung im Detail zeigt. Die Erkenntnisse helfen, zukünftige Tragflächen für langsamere und leisere Anflüge zu optimieren.

Abb.: Strömungswirbel über der Tragfläche im Flug. (Bild: DLR)

Christina Politz und ihr Team starteten am 6. Januar zu dem abendlichen Versuchsflug mit dem DLR-Forschungsflugzeug A320 ATRA (Advanced Technology Research Aircraft) vom Braunschweiger Forschungsflughafen. Dreieinhalb Stunden waren sie in der Luft. Bei mehrwöchigen Vorbereitungsarbeiten hatten die Forscher zuvor in der Kabine des stark modifizierten ehemaligen Passagierjets einen auffächerbaren Laser hinter einer speziellen optischen Scheibe montiert. „Daneben installierten wir jeweils links und rechts zwei hochauflösende Spezialkameras hinter weiteren Kabinenfenstern und richteten Laser und Kameras auf die Tragfläche aus“, erläutert Politz. „So konnten wir im Flug tausende Bilder vom Funkeln der Nebeltröpfchen mit einem sogenannten Laserschnitt machen.“

Derzeit entstehen aus den Aufnahmen am Computer erste präzise 3D-Animationen der Tragflächenströmung. „Wir wollen in bisher unerreichter Genauigkeit wissen, wie sich die Strömung im Langsamflug an den Tragflächen und Landeklappen sowie insbesondere im Bereich der Triebwerksgondeln verhält“, sagt Ralf Rudnik, der das Projekt HINVA (High Lift Inflight Validation) leitet. „Wenn wir die aerodynamischen Grenzen bei niedrigen Fluggeschwindigkeiten noch besser verstehen, dann haben wir die Möglichkeit diese Grenzen zukünftig weiter zu unseren Gunsten zu verschieben.“

Der Vorteil dabei: Verkehrsflugzeuge, die im Endanflug langsamer fliegen, sind leiser und kommen mit kürzeren Start- und Landebahnen zurecht. Herstellerangaben beschränken die Anfluggeschwindigkeit von Passagiermaschinen heute noch auf etwa 200 bis 250 Kilometer pro Stunde. Die genauen Werte hängen vom jeweiligen Flugzeugtyp und der Beladung ab. Die nun gewonnenen Flugversuchsdaten, kombiniert mit vorausgegangenen Windkanalmessungen und computergestützten Strömungssimulationen des HINVA-Projekts, liefern eine reichhaltige Datengrundlage. Damit können zukünftig deutlich besser an den Langsamflug angepasste Tragflächen und Klappensysteme entwickelt werden, um langfristig das Tempolimit rund um die Flughäfen zu senken. Der Verbundpartner Airbus unterstützt das Projekt im Rahmen seiner Forschungsaktivitäten, denn die angestrebte präzise Vorhersage der Strömungsvorgänge bei Start und Landung sind ein wesentlicher Beitrag für die Verbesserung künftiger Flugzeugentwicklungen. Airbus hat bei diesem Flugversuch durch die verantwortliche Integration der PIV-Messtechnik im Forschungsflugzeug ATRA wesentlich zum Gelingen des Tests beigetragen.

Die angewandte Lasermesstechnik PIV (Particle Image Velocimetry) ist eine Entwicklung Göttinger DLR-Forscher. Dabei werden in ein zu untersuchendes Strömungsfeld mikrometergroße Partikel eingebracht, deren Echtzeitbewegung von Hochleistungskameras erfasst wird. Im Flugversuch nutzten die DLR-Forscher anstatt künstlicher Partikel die natürlich vorhandenen Tröpfchen der Wolken. Mithilfe einer speziell entwickelten Software lässt sich das gesamte betrachtete Strömungsfeld dreidimensional berechnen und darstellen. Bisher ist es nicht möglich gewesen, an einem Passagierjet die Umströmung einer Tragfläche dreidimensional unter realen Flugbedingungen flächig zu vermessen. Bislang mussten Messsonden umständlich auf die Tragfläche geklebt werden. Nachteil: Sie beeinflussen die Luftströmung und messen nur an einzelnen Punkten auf der Oberfläche.

DLR / RK

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