Alle Sterntypen entstehen auf gleiche Weise
Erstmals Jet eines jungen massereichen Sterns außerhalb unserer Galaxie entdeckt.
Ständig entwickeln sich neue Sterne, nicht nur in unserer Galaxie, der Milchstraße, sondern auch in anderen, weit entfernten Galaxien. Vereinfacht gesagt entstehen sie in der Mitte einer rotierenden Scheibe, die Materie ins Zentrum transportiert. Typischerweise entstehen dabei Jets, die Materie aus der Scheibe mit Überschallgeschwindigkeit mit sich reißen. Bisher wissen Astronomen jedoch deutlich weniger darüber, wie die Geburt bei Sternen abläuft, die mehr als zehnmal so schwer sind wie unsere Sonne. Denn sie sind bei ihrer Entstehung meist tief in ihrer Geburtswolke verborgen und daher mit optischen Teleskopen nicht sichtbar. Nur wenn ein solcher Jet kräftig genug ist, die Geburtswolke zu durchstoßen, können Astronomen ihn beobachten. Nun ist es einem internationalen Forscherteam unter Beteiligung von Rolf Kuiper vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen erstmals gelungen, einen solchen Jet außerhalb unserer Milchstraße in der Großen Magellanschen Wolke zu beobachten.
Abb.: Aufnahme der Sternentstehungsregion (li.) innerhalb der Großen Magellanschen Wolke sowie des beobachteten Jets (re.). Der weiße Doppelpfeil verdeutlicht die Ausrichtung und Länge des Jets, die kleinen weißen Pfeile zeigen auf die vom Jet verursachte Bugwelle im umgebenden Gas der Sternentstehungsregion. Die Aufnahme rechts unten zeigt die gemessene Frequenz-Verschiebung der Linienstrahlung des ionisierten Wasserstoffs aufgrund der hohen Jetgeschwindigkeit und des Doppler-Effekts. (Bild: A. F. McLeod / U. Tübingen)
Die direkte Beobachtung eines Jets um einen massereichen jungen Stern im optischen Spektralbereich nehmen Astronomen allgemein als nahezu unmöglich an. „Solche Objekte können nur in Regionen hoher Masse geboren werden. Sie sind in ihre Wolke eingebettet, durch die man kaum hindurchsehen kann“, erklärt Kuiper, der die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe zur Entstehung massereicher Sterne leitet. Kuiper nutzte gemeinsam mit Kollegen der neuseeländischen University of Canterbury, der University of Michigan und des Royal Observatory Edinburgh Daten, die mit dem MUSE-Instrument am Very Large Telescope (VLT) der ESO in Chile gewonnen wurden. Sie hatten Glück: Sie entdeckten einen Jet mit einer Länge von rund 36 Lichtjahren.
„Das ist einer der größten Jets dieser Art, die jemals beobachtet wurden“, sagt Anna McLeod von der University of Canterbury in Christchurch, Neuseeland. Darüber hinaus erlaubte die hohe spektrale Auflösung des MUSE-Instruments eine genaue Messung der Geschwindigkeit und Ausrichtung des Jets. „Der Stern, der diesen Jet ausstrahlt, muss ungefähr die zwölffache Sonnenmasse haben. Dies ist der erste Nachweis eines solchen Jets von einem jungen Stern aus einer anderen Galaxie“, sagt McLeod.
Die in der Großen Magellanschen Wolke herrschenden Bedingungen begünstigten die Erstbeobachtung. „Dort sind weniger schwere chemische Elemente vorhanden als in unserer Milchstraße, dadurch war die Umgebung des jungen Sterns weniger undurchsichtig“, erklärt McLeod. Außerdem habe ein älterer massereicher Stern in der Nähe die Geburtswolke mit seiner Strahlung im extremen ultravioletten Bereich weggeblasen, setzt Kuiper hinzu. „Dadurch wurde der Jet sichtbar.“
Kuiper sieht sich durch die neue Beobachtung in seiner Forschungsarbeit grundsätzlich bestätigt: „Die Beobachtung zeigt, dass alle Sterntypen unabhängig von ihrer Masse in ihrer Entstehungsphase die gleichen Prozesse durchlaufen.“ Und das gelte sogar außerhalb unserer Galaxie, wo die Bedingungen und die verfügbare Materie anders aussehen können als in der Milchstraße.
U. Tübingen / JOL