12.04.2011

Alte Galaxie im jungen Kosmos

Galaxienhaufen wirkt als Vergrößerungsglas – und erlaubt einen Blick in die Frühzeit des Universums.

Galaxienhaufen wirkt als Vergrößerungsglas - und erlaubt einen Blick in die Frühzeit des Universums.

Bereits 200 Millionen Jahre nach dem Urknall sind die ersten Sterne entstanden - deutlich früher als bislang vermutet. Darauf deutet die Entdeckung einer Galaxie mit einer Rotverschiebung von 6,027 hin, die bereits alte, weit entwickelte Sterne enthält. Die Entdeckung dieser alten Galaxie im jungen Kosmos war nur durch einen Zufall möglich: Das Licht des Sternsystems muss auf seinem Weg zur Erde durch einen großen Galaxienhaufen hindurch, der als "Gravitationslinse" wie ein Vergrößerungsglas wirkt.

"Unsere Entdeckung ist eine Herausforderung für die Theorien über die Entstehung der ersten Galaxien im Universum", erklärt Johan Richard vom Dark Cosmology Center an der Universität Kopenhagen. "Sie kann dabei helfen, das Rätsel zu lösen, wie der Wasserstoff im frühen Kosmos ionisiert wurde."

Richard und sein internationales Team hatten die Galaxie zuerst auf neuen Aufnahmen ausgemacht, die das Hubble Space Telescope von dem Galaxienhaufen Abell 383 gemacht hatte. Mit seiner starken Schwerkraft lenkt dieser Galaxienhaufen das Licht weiter entfernter Galaxien ab und führt so zu Mehrfachbildern oder verzerrt die Galaxien zu langgestreckten Bögen. Zwei Lichtfleckchen fielen den Forschern aufgrund ihrer Farbe auf - ein Hinweis auf eine besonders große Entfernung.


Abb.: Der Galaxienhaufen Abell 383 wirkt als Gravitationslinse auf weiter entfernte Objekte. Die langgestreckten Bögen sind verzerrte Bilder weit entfernter Galaxien. Die beiden Bilder der weit entfernten alten Galaxie sind mit Kreisen markiert. (Bild: NASA/ESA/J. Richard/J.-P. Kneib/M. Postman)

 

Weitere Beobachtungen mit dem Spitzer Space Telescope erhärteten den Verdacht. Messungen mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii lieferten schließlich eine Rotverschiebung von 6,027 für die beiden Objekte, die sich wie vermutet als Bilder ein und derselben weit entfernten Galaxie herausstellten. Eine Rotverschiebung z bedeutet, dass das Licht eines Objekts auf seinem Weg zur Erde um den Faktor 1+z gedehnt worden ist - und dass der Kosmos während der Zeit, die das Licht zur Erde benötigt hat, ebenfalls um diesen Faktor 1+z expandiert ist.

Daraus ergibt sich eine Lichtlaufzeit von 12,75 Milliarden Jahren - die Astronomen werfen hier also einen Blick in eine Epoche, die 950 Millionen Jahre nach dem Urknall liegt. Wider Erwarten handelt es sich aber nicht um eine junge Galaxie, in der gerade die ersten Sterne entstehen - ganz im Gegenteil: Das Objekt enthält, wie eine Analyse seines Spektrums zeigt, bereits alte, entwickelte Sterne. Richard und seine Kollegen berechnen das Alter der Sterne auf 750 Millionen Jahre. Sie sind also bereits 200 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden. "Das schiebt die Epoche der ersten Sternentstehung weit zurück", betont Dan Stark von der University of Cambridge in England, der ebenfalls an den Beobachtungen beteiligt war. "Es deutet darauf hin, dass es schon viel länger Galaxien gibt, als wir bislang angenommen haben."

Ein früherer Beginn der Sternentstehung könnte auch helfen zu erklären, wie das junge Universum für sichtbares Licht durchsichtig geworden ist. Denn im so genannten "Dunklen Zeitalter" war der Kosmos zunächst von neutralem Wasserstoff erfüllt, der sichtbares Licht absorbiert. Erst die energiereiche Strahlung junger Sterne konnte den Wasserstoff ionisieren und das Weltall so durchsichtig machen.

Bislang jedoch schien es, als gäbe es nicht genügend junge Sterne im frühen Kosmos, um die Reionisierung zu erklären. Der Zufallsfund mithilfe des als Gravitationslinse agierenden Galaxienhaufens lässt die Forscher nun hoffen, dass es eine große Zahl unentdeckter Galaxien im frühen Kosmos gibt. Das geplante James Webb Space Telescope könnte diese Galaxienpopulation in einigen Jahren auch ohne die Hilfe von Gravitationslinsen sichtbar machen.

Rainer Kayser

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 MH

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