12.10.2016

Alte Sterne im Herz der Milchstraße

Überreste früherer Kugelsternhaufen sind im Zentrum unserer Galaxie verstreut.

Ein Astronomen­team unter der Leitung von Dante Minniti von der Universidad Andrés Bello in Santiago de Chile und Rodrigo Contreras Ramos vom Instituto Milenio de Astrofísica in Santiago de Chile konnte mithilfe von Beobachtungen des VISTA-Infrarot-Durch­musterungs­teleskops im Rahmen der öffentlich zugäng­lichen Durch­musterung Variables in the Via Lactea (VVV) der ESO die zentralen Bereiche der Milchstraße genau untersuchen. Durch die Beo­bachtungen im infraroten Licht, das im Vergleich zu sichtbarem Licht weniger von kosmischem Staub beeinflusst wird, und dank der exzellenten Beobachtungs­bedingungen, die am Paranal-Obser­vatorium der ESO herrschen, konnte das Team einen klareren Blick auf diese Region erhaschen als jemals zuvor. Sie fanden ein Dutzend sehr alter RR-Lyrae-Sterne im Herzen der Milchstraße, die vorher noch nicht bekannt waren.

Abb.: Veränderliche Sterne nahe des galaktischen Zentrums. (Bild: ESO / VVV Survey / D. Minniti)

Unsere Milchstraße ist in ihrem Zentrum dicht besiedelt und zeigt dadurch eine zentrale Ausbuchtung – eine Eigen­schaft, die viele Galaxien besitzen, jedoch ist nur das Zentrum unserer Galaxie nah genug, um eingängig untersucht zu werden. Wie diese Bulges entstanden sind, ist noch Gegenstand aktueller Forschungen. Allerdings liefert die Entdeckung der RR-Lyrae-Sterne nun über­zeugende Hinweise, die Astronomen dabei helfen könnten, sich zwischen zwei unter­schiedlichen Theorien zu entscheiden.

RR-Lyrae-Sterne finden sich für gewöhnlich in dichten Kugelsternhaufen. Sie zählen zu den veränder­lichen Sternen, da die Helligkeit jedes einzelnen RR-Lyrae-Sterns regelmäßig schwankt. Aus Beo­bachtungen der Länge jedes einzelnen Hellig­keitsänderungs­zyklus sowie der Messung der Helligkeit eines RR-Lyrae-Stern können Astronomen seine Entfernung zu uns berechnen. Leider werden diese hervor­ragenden Entfernungs-Indi­katoren oft von jüngeren, helleren Sternen überstrahlt und in manchen Regionen von Staub verdeckt. Deshalb war es, bevor die öffentliche VVV-Durch­musterung im infraroten Licht durch­geführt wurde, nicht möglich, RR-Lyrae-Sterne im dicht besie­delten Herzen der Milchstraße genau zu lokalisieren. Doch selbst mit dieser Methode beschrieb das Team die Aufgabe der Loka­lisierung der RR-Lyrae-Sterne in dem Getümmel von helleren Sternen als zum Teil sehr „entmutigend“.

Ihre harte Arbeit hat sich jedoch durch die Identi­fizierung eines Dutzend RR-Lyrae-Sterne ausgezahlt. Ihre Entdeckung ist ein Hinweis darauf, dass Überreste früherer Kugelstern­haufen im Zentrum des Bulges der Milchstraße verstreut sind. Rodrigo Contreras Ramos erläutert: „Die Entdeckung der RR-Lyrae-Sterne im Zentrum der Milchstraße hat eine wichtige Auswirkung hinsichtlich der Theorien über die Entstehung des galaktischen Kerns: Der Nachweis stützt das Szenario, in dem der Bulge ursprünglich aus ein paar Kugel­sternhaufen entstanden ist, die im Laufe der Zeit verschmolzen sind.“

Die Theorie, dass galaktische Bulges durch die Verschmelzung von Kugel­sternhaufen entstehen, wird durch die kon­kurrierende Hypothese, dass diese Bulges aufgrund von schneller Akkretion von Gas entstanden sind, angezweifelt. Die Entdeckung der RR-Lyrae-Sterne, die in Kugelsternhaufen fast immer zu finden sind, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Bulge der Milch­straße tatsächlich durch Ver­schmelzung solcher Haufen entstanden ist. Somit könnten auch alle anderen ähnlichen galak­tischen Bulges sich auf diese Weise gebildet haben.

Diese Sterne sind nicht nur eindeutige Belege für eine wichtige Theorie zur Entstehung von Galaxien, sie sind wahr­scheinlich auch mehr als 10 Milliarden Jahre alt – die lichtschwachen, aber hart­näckigen Über­lebenden der möglicher­weise ältesten und masse­reichsten Sternhaufen innerhalb der Milchstraße.

ESO / JOL

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