20.04.2016

Alte Zeugen des Erdmagnetfelds

Elektronenholographische Aufnahmen belegen Temperaturfestigkeit winziger Magnetwirbel in Magnetit.

Magnetische Nanowirbel in Magnetit-Mineralien sind zuverlässige Zeugen der Erd­geschichte. Dies zeigen die ersten hoch­auflösenden Untersuchungen solcher Strukturen durch ein deutsch-britisches Forscherteam. Die Magnet­strukturen entstehen beim Erkalten von Gesteins­schmelzen und sind ein Abbild des Erdmagnetfelds zum Zeitpunkt ihrer Entstehung. Die Wirbel sind unerwartet robust gegenüber Temperatur­schwankungen, wie die elektronen­holo­graphischen Experimente in Jülich belegen. Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt, um die Geschichte unseres Erd­magnet­felds, des Erd­inneren und der Platten­tektonik besser zu verstehen.

Abb.: Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Magnetit-Nanokristalls (links) und die magnetische Wirbelstruktur (rechts), erstmals mittels Elektronenholographie sichtbar gemacht. (Bild: Imperial College London)

Das Magnetfeld der Erde erfüllt wichtige Zwecke: Es schützt uns zum Beispiel vor geladenen Teilchen aus dem Weltall und ermöglicht Zug­vögeln, Bienen und anderen Tieren die Orientierung. Doch es ist nicht stabil, sondern ändert fortwährend seine Stärke und seine Lage. Mehrmals hat es sich in der Vergangen­heit sogar umgepolt – Nord- und Südpol haben ihren Platz getauscht. Wissenschaftler des Arbeits­bereichs Paläo­magnetismus untersuchen mit Hilfe magnetischer Mineralien die Geschichte des Erd­magnet­felds und dessen Entstehung durch flüssige Metall­ströme im Erd­inneren, den Geo­dynamo. Auch die Bewegungen der Kontinental­platten lassen sich mit Hilfe solcher Gesteine nachverfolgen.

Im Laufe von Millionen von Jahren können die Mineralien starken Temperatur­schwankungen ausgesetzt sein, etwa durch extreme Klima­änderungen oder vulkanische Aktivitäten. Wie gut überstehen die Magnet­strukturen solche Temperatur­schwankungen und wie zuverlässig sind die aus ihnen gewonnenen Informationen? Dies hat ein inter­nationales Forscherteam nun erstmals ultra­hoch­aufgelöst an Proben von Magnetit untersucht, dem Mineral, das die magnetischen Eigenschaften in der Erdkruste dominiert. „Nur in einem kleinen Teil des natürlich vorkommenden Magnetits finden sich Magnet­strukturen, die als sehr stabil gegenüber Temperatur­schwankungen bekannt sind“, erläutert Trevor Almeida vom Imperial College London. „Weitaus verbreiteter sind winzige Magnet­wirbel. Deren Stabilität war bisher nicht bewiesen.“

Mit Kollegen des Forschungszentrums Jülich, der Universität von Edinburgh und der Universität von Nottingham hat Almeida solche Magnet­wirbel in Magnetit-Nanokristallen untersucht. Weil die Strukturen so winzig sind – jedes der Körnchen ist nur ungefähr so groß wie ein Virus – gibt es nur eine Methode, mit der sich die Nanowirbel beim Erhitzen und Abkühlen direkt beobachten lassen: „Ein spezielles hoch­auflösendes Elektronen­mikroskop am Ernst-Ruska-Centrum (ER-C) in Jülich ist in der Lage, nano­skalige magnetische Felder holo­graphisch sichtbar zu machen“, erläutert Almeida. „Dabei entstehen Bilder von Feldlinien, fast so, wie wenn man das Magnetfeld eines Stab­magneten mit Hilfe von Metall­spänen sichtbar macht, aber mit einer Auflösung im Nano­meter­bereich.“

Die Experimente in Jülich zeigten, dass die Magnet­wirbel zwar beim Erhitzen ihre Stärke und Richtung ändern, aber beim Abkühlen wieder den Ausgangs­zustand einnehmen. „Somit ist auch Magnetit­gestein, das Anzeichen für Temperatur­schwankungen aufweist, tatsächlich eine sehr zuverlässige Quelle für Daten zur Erd­geschichte“, freut sich Almeida.

„Die Elektronenholographie hat einen völlig neuen Einblick in das magnetische Verhalten von Magnetit ermöglicht“, betont Rafal Dunin-Borkowski, Direktor am ER-C und am Jülicher Peter Grünberg Institut. Der Experte für Elektronen­holographie arbeitet mit seinem Jülicher Team daran, das Auflösungs­vermögen dieser Technik noch weiter zu verbessern und die notwendige Infra­struktur für solche Untersuchungen für deutsche und internationale Wissenschaftler bereit zu stellen. „Schwache magnetische Felder in Nano­kristallen spielen nicht nur im Paläo­magnetismus eine Rolle. In der Informations­technologie etwa kann die Elektronen­holo­graphie ebenfalls von Nutzen sein und helfen, die physikalischen Grenzen der Daten­speicherung und –verarbeitung auszureizen.“

FZJ / DE

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