Altermagnetismus experimentell bestätigt
Dritte Art von Magnetismus wurde erst 2019 postuliert.
Ferromagnetismus und Antiferromagnetismus sind seit Langem bekannt. 2019 postulierten Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) eine dritte Art von Magnetismus, den Altermagnetismus – was in etwa so viel heißt wie „verändernder Magnetismus“. In Fachkreisen wurde dieser Altermagnetismus bereits viel diskutiert, mitunter auch angezweifelt. Eine experimentelle Gruppe um Hans-Joachim Elmers von der JGU konnte nun einen Effekt, der quasi als Signatur des Altermagnetismus gilt, am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY erstmalig messen und die Existenz der dritten Magnetismus-Art damit untermauern.
Während beim Ferromagnetismus alle magnetischen Momente gleich ausgerichtet sind, wechseln die magnetischen Momente in Antiferromagneten abwechselnd ihre Richtung. Makroskopisch gleichen sich die magnetischen Momente aus, Antiferromagnete haben also kein äußeres Magnetfeld. Bei den Altermagneten wiederum ordnen sich die magnetischen Momente auf andere Weise an. „Die Altermagnete verbinden quasi die Eigenschaften von Ferromagneten und Antiferromagneten. Mit Antiferromagneten haben sie gemeinsam, dass die benachbarten magnetischen Momente immer antiparallel zueinander stehen, also keine makroskopische Magnetisierung auftritt, mit Ferromagneten, dass es einen spinpolarisierten Strom gibt“, erläutert Elmers, Leiter der Arbeitsgruppe Magnetismus am Institut für Physik.
Üblicherweise rufen elektrische Ströme ein Magnetfeld hervor. Schaut man jedoch den gesamten Altermagnet an – integriert man die Spins der Leitungselektronen also über alle Richtungen – muss das Magnetfeld trotz des spinpolarisierten Stroms null ergeben. Engt man das „Sichtfeld“ jedoch ein und betrachtet lediglich Elektronen, die sich in eine bestimmte Richtung bewegen, haben diese einen einheitlichen Spin. „Dieses Ordnungsphänomen hat nichts mit der räumlichen Ordnung zu tun – also mit dem Aufenthaltsort der Elektronen –, sondern nur mit den Richtungen der Elektronengeschwindigkeiten“, sagt Elmers. Da Geschwindigkeit mal Masse den Impuls ergibt, sprechen Physikerinnen und Physiker dabei vom Impulsraum. Dieser Effekt wurde von theoretischen Arbeitsgruppen um Jairo Sinova und Libor Šmejkal vorhergesagt.
„Wir konnten diesen Effekt erstmals experimentell nachweisen“, so Elmers. Gelungen ist dieser Nachweis über ein eigens entwickeltes Impuls-Elektronenmikroskop. Darin bestrahlte das Team eine dünne Schicht aus Rutheniumdioxid mit Röntgenlicht. Dieses regte die Elektronen in der Schicht so weit an, dass sie aus der Schicht herausgeschlagen und detektiert werden konnten. Aus der Verteilung der Geschwindigkeiten konnten die Forschenden darauf schließen, wie schnell die Elektronen im Festkörper waren. Nutzten sie zirkular polarisiertes Röntgenlicht, konnten sie zudem Aussagen über die Spinrichtung treffen.
Anders als bei der üblichen Elektronenmikroskopie verändern die Forschenden beim Impulsmikroskop die Brennebene – und sehen auf dem Detektor nicht eine vergrößerte Abbildung der Oberfläche des untersuchten Rutheniumdioxid-Films, sondern eine Darstellung des Impulsraums. „Unterschiedliche Impulse treffen auf unterschiedliche Positionen auf dem Detektor. Vereinfacht könnte man sagen, die verschiedenen Richtungen, in die die Elektronen sich in der Schicht bewegen, werden in unterschiedlichen Punkten abgebildet“, sagt Elmers.
Interessant könnte das Experiment für die Spintronik sein: Statt auf DRAMs setzt man dabei auf das magnetische Moment der Elektronen – die Speicherkapazität lässt sich auf diese Weise deutlich steigern. „Die Ergebnisse dürften eine wesentliche Problematik im Bereich der Spintronik lösen“, vermutet Elmers. „Verwendet man Altermagnete, lassen sich gespeicherte Information durch die Spinpolarisation der Leitungselektronen leichter auslesen.“
JGU Mainz / JOL