25.06.2018

Am Puls der Alpen

Projekt AlpArray ermöglicht Einsichten in Gebirgsentstehung und bessere Einschätzung der Erd­beben­gefahr.

Eingegraben unter Wiesen, versteckt in Scheunen, verankert am Grund des Mittel­meeres: 600 Sensoren, die auf den Alpen und in deren Umgebung platziert sind, bilden das welt­weit aus­gedehnteste seismologische Forschungs­netz. Das Projekt AlpArray soll neue Erkenntnisse zur Entstehung des Gebirges bringen und die Karten zur Erdbeben­gefahr in den Alpen­regionen ergänzen. 36 Institutionen aus elf Ländern wirken am Projekt mit, das durch Forscher der ETH Zürich und der Universität Lausanne koordiniert und insbesondere durch den Schweizerischen National­fonds (SNF) unter­stützt wird.

Abb.: Standorte der AlpArray-Sensoren (Bild: SNSF)

„Wir verwenden äußerst empfindliche Stationen“, erklärt György Hetényi, SNF-Förder­professor an der ETH Lausanne. „Diese Stationen registrieren sowohl ein leichtes Erd­beben in Japan als auch die tausenden von jährlichen Erschütterungen in der Schweiz, die von der Bevölkerung zu 99 Prozent nicht bemerkt werden.“

Ein Ziel des Projekts besteht darin, den Aufbau und die Zusammen­setzung der Litho­sphäre (bis hundert Kilometer unter den Alpen) und des oberen Erd­mantels (bis 660 Kilometer) genauer zu bestimmen. Bis in solche Tiefen sind die Reste von sub­duzierten ehemaligen Meeres­böden zu finden, die dutzende von Millionen Jahre alt sein können. „Die tektonischen Bewegungen setzen sich an der Ober­fläche fort und verursachen die aktuellen Erdbeben in den Alpen­regionen“, erklärt der Geo­physiker. Mit den gesammelten Daten lassen sich die von den einzelnen europäischen Ländern geführten Kataloge über seismische Ereignisse vergleichen und standardisieren und so die Schätzungen zur Wahr­scheinlich­keit von Erd­beben verfeinern.

Die Hälfte des Netzes bilden bereits vorhandene stationäre Seismo­graphen. Die andere Hälfte besteht aus mobilen Sensoren, die während der zwei­jährigen Projekt­dauer zur Verfügung gestellt wurden und sowohl unter­irdisch als auch in Alp­hütten untergebracht sind. „Die Partner zu überzeugen, so viele Stationen gleich­zeitig bereit­zustellen, war nicht einfach, doch es war die einzige Möglichkeit, dieses Netz zu tragbaren Kosten aufzubauen. Nur vier Länder mussten neue Sensoren kaufen.“ AlpArray wurde von der Schweiz lanciert und wird von Edi Kissling und Irene Molinari von der ETH Zürich, John Clinton vom Schweizerischen Erd­beben­dienst sowie György Hetényi von der Universität Lausanne geleitet. Der Schweizer Teil des Projekts wird durch einen Sinergia-Förder­beitrag des SNF unterstützt.

Die Sensoren wurden nach dem Vorbild von Bienen­waben in einem sechs­eckigen Netz platziert. „Das war die effizienteste Art, die geometrische Anordnung der Fix­stationen zu einem dichten Netz aus­zubauen“, erklärt György Hetényi. „Kein Punkt in der unter­suchten Region ist weiter als dreißig Kilo­meter von einem Sensor entfernt.“ AlpArray erstreckt sich über mehr als 200 Kilometer um die Alpen, von den Pyrenäen bis nach Ungarn und von Frank­furt bis Korsika. Dreißig Sonden wurden auf dem Grund des Mittel­meeres installiert. „Erst nachdem wir diese im vergangenen Februar wieder an die Ober­fläche holten, wussten wir mit Sicherheit, dass sie funktioniert hatten, denn die Wasser­säule darüber ver­unmöglicht eine kabel­lose Über­tragung“, führt der Forscher weiter aus. Die tiefst­gelegene Station befindet sich 2771 Meter unter Meer, die höchste in 3005 Metern Höhe.

Die Kartografie des alpinen Untergrunds funktioniert wie eine Ultraschall­aufnahme: Die Sonden zeichnen das Echo der seismischen Wellen auf, die von den tiefen Erd­schichten zurückgeworfen werden. Wenn man den Zeit­punkt des Auftreffens der Wellen bei verschiedenen Sensoren vergleicht, lässt sich über Triangulation die Position der Schicht und auch ihre Zusammen­setzung bestimmen, da diese die Geschwindig­keit der Wellen verändert.

Der Ursprung der registrierten Erdstöße befindet sich bei kleineren Erd­beben in Europa sowie bei leichten Erd­erschütterungen überall auf der Erde. Das Netz kann sogar Umgebungs­geräusche auswerten, zum Beispiel das Geräusch des See­gangs, und so Informationen zu den geologischen Strukturen nahe der Oberfläche gewinnen, d.h. in einigen Dutzenden Kilometern Tiefe. Das AlpArray-Netz ist seit Juli 2017 voll in Betrieb. Erste wissenschaftliche Ergebnisse werden für 2019 erwartet.

SNF / DE

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