Anomale Wasser-Abscheidung
Nanodrähte auf Kohlenstoffbasis geben absorbiertes Wasser bei steigender Luftfeuchte wieder ab.
Kieselgel, Zeolithe und andere poröse Substanzen nehmen umso mehr Wasser auf, je höher die Luftfeuchtigkeit der umgebenden Luft ist. Dank dieser Eigenschaft eignen sie sich sehr gut als Trocknungsmittel. Wissenschaftler vom Pacific Northwest National Laboratory in den USA entdeckten jetzt rein zufällig ein Nanomaterial, dass sich genau umgekehrt verhält. Bei geringer Luftfeuchte absorbieren Nanodrähte aus Kohlenstoff, Eisen und Schwefel wie erwartet Wasser. Steigt die Luftfeuchte jedoch an, scheidet das Material das zuvor gespeicherte Wasser plötzlich ab. Dieses Verhalten sei von keinem anderen Material bekannt, so die Forscher.
Abb.: Winzige Bündel aus hydrophoben Nanodrähten nehmen erst Wasser auf, geben es aber bei zunehmender Luftfeuchtigkeit wieder ab (künstlerische Illustration; Bild: PNNL).
Satish Nune und seine Kollegen wollten mit ihren Experimenten magnetische Nanodrähte unter dem Einsatz von ionischen Flüssigkeiten synthetisieren. Während ihrer Versuche bestimmten sie regelmäßig das Gewicht der Nanodrähte, das über die Absorption von Wasser zuerst wie erwartet zunahm. Doch bei einer höheren Luftfeuchtigkeit von fünfzig bis achtzig Prozent wurde das Nanomaterial zur Überraschung der Forscher leichter. Mit wiederholten Versuchen konnten die Forscher Messfehler ausschließen. Sie entdeckten die Ursache für die Gewichtsabnahme in einer plötzlichen Abscheidung des zuvor absorbierten Wassers. Nune und Kollegen vergleichen das Verhalten ihres Materials mit einem Schwamm, der sich bei hoher Luftfeuchte plötzlich wie von selbst auswringt.
Mit Aufnahmen eines Rastertransmissionselektronenmikroskops untersuchten die Wissenschaftler den überraschenden Effekt genauer. Wie sie herausfanden kondensiert über die Kapillarkondensation Wasser auf der hydrophoben Oberfläche und es bilden sich zwischen kleinen Bündeln der Nanodrähte winzige Tropfen. Die Oberflächenspannung des Wassers führt dazu, dass die Nanodrähte sich immer näher kommen und ein Tropfen nach oben gedrückt wird. Bei einem kritischen Abstand von anderthalb Nanometern steigt die Oberflächenenergie stark an und wirkt sich auf den Dampfdruck des Wassers aus. Binnen weniger Minuten geht die Hälfte des absorbierten Wassers in die Dampfphase über. Wird danach die Luftfeuchtigkeit wieder abgesenkt, beginnt der Prozess abermals und Wasser kondensiert auf der Oberfläche der Nanodrähte.
Mit weiteren Versuchen wollen Nune und Kollegen den Einfluss des Materials und der Randbedingungen genauer ermitteln. Sie denken außerdem an mögliche Anwendungen des Phänomens. Mit optimierter Größe und Form der Nanodrähte halten sie eine unkonventionelle Methode zur Kondensation von Wasser aus relativ trockener Luft für möglich. Für funktionelle Sportkleidung könnten Membranen aus solchen hydrophoben Nanodrähten Wasser über die Kapillarkondensation aus der Umgebung aufnehmen und bei steigender Luftfeuchtigkeit wieder gezielt nach außen abgeben.
Jan Oliver Löfken
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