26.10.2016

Antireflexschicht aus Nanostrukturen

Hohe Transmission bei stark redu­zierter Licht­reflexion durch Nano­säulen auf der Ober­fläche.

Der Nachtfalter macht es vor: Seine Augenoberflächen sind so beschaffen, dass sie ein­fal­lendes Licht kaum reflek­tieren. Keine Licht­reflexe – das schützt das Insekt bei Nacht davor, entdeckt zu werden. Weniger Reflexion bedeutet außerdem, dass das ein­fallende Licht optimal für das Sehen genutzt werden kann. Der Trick aus dem Reich der Insekten hat Wissen­schaftler dazu inspi­riert, ihn bei optischen Bau­teilen anzu­wenden. Auch hier ist eine hohe Licht­durch­lässig­keit gewünscht, während Licht­refle­xionen stören. Bisher versieht man Linsen, Objek­tive, Bild­schirme oder Laser-Bau­teile daher mit Anti­reflex­beschich­tungen. Doch diese haben Nach­teile: Sie wirken nur in einem engen Wellen­längen­bereich und nicht bei jedem belie­bigen Licht­ein­fall­winkel.

Abb.: Minerva mit Tarnkappe: Die beiden linken Abbil­dungen zeigen das Emblem unter einer Quarz­glas­ober­fläche mit 450 Nano­meter hohen Säulen, die beiden rechten unter einer unstruk­tu­rierten Referenz. Der Durch­messer der Abbil­dungen beträgt jeweils 25 Milli­meter. Die beiden oberen Bilder wurden unter einem Beob­ach­tungs­winkel von null Grad auf­ge­nommen, die beiden unteren unter einem Winkel von dreißig Grad. Die Prozent­an­gaben be­ziehen sich auf die Trans­mission (oben), bezie­hungs­weise die Re­fle­xion (unten; Bild: Z. Diao, MPI-IS).

Genau das soll das Nachtfalter-Prinzip ändern. Die Forscher vom MPI für Intel­li­gente Systeme haben sich das natür­liche Vorbild genau ange­sehen. „Die Augen­ober­fläche ist von dicht neben­ein­ander stehenden, säulen­artigen Struk­turen übersät, die nur wenige Hundert Nano­meter hoch sind und nach oben hin spitz zulaufen“, sagt Zhaolu Diao, der in der Abteilung „Neue Bio­materi­alien und Bio­systeme“ unter der Leitung von Joachim Spatz forscht. Die Säulen bewirken, dass sich der optische Brechungs­index mit Ein­dringen in diese Grenz­schicht konti­nuier­lich ändert – aus­gehend von dem der umge­benden Luft bis hin zu dem des eigent­lichen Materials der äußeren Augen­schicht. Dieser all­mäh­liche Über­gang des Brechungs­index ist ent­schei­dend dafür, dass ein­fallen­des Licht so gut wie nicht reflek­tiert wird und daher fast voll­ständig in die Augen ein­dringen kann. „Damit das Ganze funk­tio­niert, muss der Abstand zwischen den einzel­nen Säulen deut­lich kleiner sein als die Wellen­länge des ein­fal­len­den Lichts“, erklärt Diao.

Um das Prinzip zu imitieren, suchten die Wissenschaftler nach Ver­fahren, die glatte Material­ober­flächen in eine Nano­säulen­land­schaft ver­wandeln. Dabei ent­wickelten sie einen zwei­stu­figen Prozess. Im ersten Schritt scheiden sie auf der Ober­fläche Gold­partikel in räum­lich regel­mäßigen Mustern groß­flächig ab, und zwar so gleich­mäßig, dass die Gold­punkte den Knoten­punkten einer Waben­struktur ent­sprechen. Im zweiten Schritt, einem chemischen Ätz­prozess, dienen diese Metall­inseln als Maske: Unter­halb der Gold­punkte wird kein Material weg­geätzt, so dass die ge­wünschten säulen­artigen Figuren stehen bleiben − und das auf Flächen von rund zwei mal zwei Zenti­metern.

Schon in der Vergangenheit gab es mit dieser Technik erste Erfolge, aller­dings nur für kurz­welliges UV-Licht und sicht­bares Licht. Für länger­welliges nahes Infra­rot-Licht stand eine erfolg­reiche Anwen­dung hin­gegen noch aus. Der Grund: Die bisher reali­sierten Säulen­höhen von maximal fünf­hundert Nano­metern reichen nicht aus, um auch für diese Wellen­längen die ge­wünschten Trans­missions­grade von 99,5 Prozent oder mehr zu ermög­lichen. „Je größer die Wellen­länge des Lichts, das man durch­leiten möchte, desto höher müssen die Nano­struk­turen sein“, so Diao.

Die Arbeitsgruppe verfeinerte daher ihr Verfahren. Dabei fanden die Forscher einen Weg, um die abge­schie­denen Gold­inseln zu ver­größern. „Das hat es uns schließ­lich ermög­licht, den anschlie­ßenden Ätz­prozess tiefer in das Material hinein­wirken zu lassen“, sagt Diao. Den Forschern gelang es damit, Säulen bis zu einer Höhe von rund zwei­tausend Nano­metern zu erzeugen. Die Technik ermöglicht es darüber hinaus sogar, die genaue geo­me­trische Form der Nano­säulen zu beein­flussen − etwa, in welcher Weise der Durch­messer der Pfeiler von unten nach oben ab­nimmt, wie spitz sie also zu­laufen. Dabei zeigte sich: Säulen, deren Durch­messer sich mög­lichst gleich­mäßig ver­ändert, sorgen später für die höchsten Trans­missions­werte.

Die Wissenschaftler testeten diverse Säulenhöhen im Experi­ment. Dabei bestä­tigte sich: Je höher, desto größer war auch die Wellen­länge des Lichts, für das die beste Trans­mission erzielt wurde. Mit 1,95 Mikro­meter hohen Säulen etwa lag das Trans­missions­maximum bei fast 2400 Nano­metern und damit deut­lich im NIR-Bereich. Zugleich erhöhte sich mit der Säulen­höhe der Wellen­längen­bereich, für den Trans­missions­grade von bis zu 99,8 Prozent erzielt wurden. Bei den 1,95 Mikro­meter hohen Säulen er­streckte sich diese hohe Durch­lässig­keit auf einen Spektral­bereich von rund 450 Nano­metern. Bei kleineren Struk­turen war das dagegen nur für ein rund 250 Nano­meter breites Fenster der Fall.

Hohe Transmission, einhergehend mit stark reduzierter Licht­refle­xion – das sorgt auch für mög­liche Tarn­anwen­dungen, denn ein ent­sprechend behan­deltes Material unter­scheidet sich optisch prak­tisch nicht mehr von seiner Umge­bung. Die Umrisse eines vor eine Kamera gehal­tenen, quadra­tischen Quarz­glas-Stücks waren nach dem Ätz­prozess weder mit bloßem Auge noch mit der Kamera zu er­kennen. Deckten die Forscher mit ihrem prä­pa­rierten Quarz­glas dagegen eine Abbil­dung ab, so ließ sich diese auch schräg von oben noch ein­wand­frei er­kennen. Quarz­glas mit unbe­han­delter Ober­fläche reflek­tierte das ein­fal­lende Licht da­gegen so stark, dass bereits bei einem Blick­winkel von dreißig Grad nichts mehr zu er­kennen war.

Zunächst erprobten die Forscher ihr Verfahren modell­haft an Quarz­glas. Künftig wollen sie das Vor­gehen aber auch an optischen Gläsern und an Saphir testen. Sollte sich die Methode auch dafür bewähren, dürfte dies viel­fältige Einsatz­mög­lich­keiten er­öffnen. „Ein wich­tiges Gebiet wären ganz sicher Hoch­leistungs­laser, die im infra­roten Licht­bereich arbeiten“, sagt Diao. Gerade bei bestimmten Laser­systemen, bei denen das Licht zur Ver­stärkung immer wieder durch das­selbe optische Bauteil geschickt wird, sum­mieren sich kleine Refle­xions­ver­luste schließ­lich zu spür­baren Leistungs­ein­bußen. Trifft der­selbe Licht­strahl fünfzig Mal auf eine Grenz­fläche, an der 99,5 Prozent durch­ge­lassen werden, gehen am Ende 23 Prozent der Energie ver­loren. Gelänge es, die Trans­mission auf 99,8 Prozent zu steigern, würde der Verlust nur noch zehn Prozent be­tragen. Speziell bei Laser-Anwen­dungen hätte das Ver­fahren noch einen weiteren Vor­teil: Im Praxis­ver­such hat sich die nano­struk­tu­rierte Ober­fläche als robuster gegen die hohen Laser­energien erwiesen als die üblichen Anti­reflex­beschich­tungen.

Weitere Anwendungen könnten Linsen, Objektive oder auch Touch­screens sein. „Das Ver­fahren funk­tio­niert nicht nur auf ebenen Flächen, sondern auch bei gebo­genen Ober­flächen“, so Diao. Das wäre insbe­sondere für Linsen wichtig, etwa im Kamera- oder Mikro­skopie-Bereich. Ehe die Technik bei Touch­screens zum Einsatz kommen kann, muss aller­dings noch ein Problem gelöst werden: Das Berühren mit den Fingern hinter­lässt Konta­mina­tionen, welche die Trans­missions­eigen­schaften mit der Zeit stark beein­träch­tigen. Zwar lassen sich solche Verun­reini­gungen mit normalem Labor­alkohol ebenso leicht ent­fernen wie von einer glatten Glas­ober­fläche. Für eine Anwen­dung bei berühr­baren Bild­schirmen suchen die Forscher aller­dings noch nach einer ele­gan­teren Lösung.

MPI-IS / RK

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Meist gelesen

Themen