Antiwasserstoff spektroskopisch untersucht
Mit hoher Präzision wurde dieselbe 1s-2s-Übergangsfrequenz wie für Wasserstoff gemessen.
Hat Antimaterie dieselben physikalischen Eigenschaften wie Materie? Oder haben winzige Unterschiede zwischen Teilchen und Antiteilchen dazu geführt, dass es im Universum praktisch nur Materie gibt? Ein Präzisionsexperiment mit Antiwasserstoff ist jetzt einer Antwort ein großes Stück näher gekommen.
Abb.: Aufbau des Alpha-2-Experiments. Antiprotonen und Positronen treffen und vereinigen sich in der Falle, die die entstehenden Antiwasserstoffatome mit elektrischen und magnetischen Feldern festhält. Ein Laserstrahl durchquert die Falle und regt die Antiatome an. (Bild: Alpha-2 / CERN)
Beim internationalen Alpha-Experiment am CERN werden Antiwasserstoffatome erzeugt und eingehend untersucht. Die dafür nötigen Antiprotonen entstehen durch Paarerzeugung. Nachdem sie stark abgebremst wurden, bringt man sie in einer Penning-Falle mit Positronen zusammen. Fängt ein Antiproton ein Positron ein, so entsteht ein Antiwasserstoffatom, das von den elektrischen und magnetischen Feldern der Falle festgehalten wird.
Im Laufe der Jahre haben die Alpha-Forscher ihr Experiment stark verbessert, sodass sie jetzt bei jedem experimentellen Durchgang etwa 25.000 Antiwasserstoffatome produzieren. Antiatome mit einer kinetischen Energie von weniger als 0,5 K bleiben in der Falle gefangen. Im Mittel sind das pro Durchgang 14, verglichen mit 1,2 vor einem Jahr. Da die Antiatome mindesten 1000 Sekunden in der Falle verbleiben, kann man mit ihnen spektroskopische Präzisionsmessungen durchführen, wie man sie mit Wasserstoffatomen gemacht hat.
Jeff Hangst und seine Kollegen vom Alpha-Experiment haben für Antiwasserstoff die Frequenz des 1s-2s-Übergangs mit bisher unerreichter Präzision gemessen. Das Ergebnis stimmt mit einer relativen Genauigkeit von etwa 4×10-10 mit der entsprechenden Übergangsfrequenz des Wasserstoffatoms übereinstimmt, die von Hänsch und seinen Mitarbeitern mit einer Genauigkeit von etwa 10-15 gemessen worden war. Dabei konnten die Forscher allerdings auf eine wesentlich größere Zahl von Atomen zurückgreifen.
Der 1s-2s-Übergang hat eine sehr lange Lebensdauer von etwa 1/8 s. Deshalb ist seine Übergangsfrequenz, die bei 2,5×1015 Hz liegt, sehr scharf und auf wenige Hertz genau definiert. Mit einem ein Tesla starken Magnetfeld haben die Forscher die Hyperfeinstruktur des 1s- und des 2s-Niveaus aufgelöst. Da sich der Spin des Positrons und der Kernspin des Antiprotons jeweils parallel oder antiparallel zum Magnetfeld ausrichten konnten, gab es insgesamt für jeden der beiden Zustände vier verschiedene Hyperfeinzustände, die sich durch ihre Energie und ihr Verhalten im Magnetfeld voneinander unterschieden.
Zeigte der Positronspin gegen die Feldrichtung, so nahm die Energie des Antiatoms mit der Feldstärke zu unabhängig von der Kernspinrichtung. In diesem Fall wich das Antiatom dem starken Feld aus und wurde in der Falle festhalten. Zeigte der Positronspin hingegen in Feldrichtung – wobei die Kernspinrichtung wieder unerheblich war –, so wurde das Antiatom in das starke Feld hineingezogen und konnte aus der Falle entweichen.
Mit zwei Laserstrahlen von 243 nm Wellenlänge, die die Falle gegenläufig durchquerten, wurden die in der Falle festgehaltenen Antiwasserstoffatome durch Zwei-Photonen-Prozesse zum Übergang vom 1s- zum 2s-Zustand angeregt. An der Resonanzfrequenz wurden besonders viele Antiatome in den festgehaltenen Hyperfeinzustand des 2s-Zustands befördert, aus dem sie dann jedoch durch Ein-Photon-Prozesse entweder ionisiert oder durch Umdrehen des Positronspins in einen nicht festgehaltenen Hyperfeinzustand gebracht werden konnten. In beiden Fällen entwichen sie aus der Falle und verrieten sich durch sofortige Annihilierung mit Wasserstoffatomen. Nach einer Wartezeit von 600 Sekunden schalteten die Forscher die Falle ab und stellten wiederum anhand der erfolgenden Annihilierung fest, wie viele Antiatome noch in ihr vorhanden gewesen waren.
Sodann verringerten die Forscher die Frequenz der Laserphotonen um 200 kHz und überprüften erneut, wie viele Antiatome in der Falle verblieben oder durch Ionisierung und Spinflip aus ihr entwichen waren. Vom 1s-2s-Übergang des Wasserstoffatoms her erwarteten sie, dass jetzt auch beim Antiwasserstoffatom keine Resonanz mehr auftreten sollte. Deshalb konnten auch praktisch keine Antiatome mehr in den 2s-Zustand gelangen, aus dem sie dann durch Ionisation oder Spinflip verloren gingen. Somit sollten nun fast alle Antiatome in der Falle verbleiben. Die experimentellen Ergebnisse bestätigten diese Vorhersagen völlig.
Damit haben die Forscher für den 1s-2s-Übergang gezeigt, dass Wasserstoff- und Antiwasserstoffatome mit einer relativen Genauigkeit von 4×10-10 dieselbe Anregungsfrequenz haben. Die CPT-Invarianz, die der Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie zugrunde liegt, ist demnach mit einer Genauigkeit von 2×10-10 erfüllt. Als nächstes wollen Hangst und seine Kollegen das komplette Linienprofil des 1s-2s-Übergangs aufnehmen, von dem sie ja bisher nur die halbe Breite auf der niederfrequenten Seite kennen. Doch jetzt macht das Alpha-Team erst einmal Weihnachtspause.
Rainer Scharf
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