24.08.2011

Archiv mit großem X

Das e-print-Archiv arXiv feiert 20. Geburtstag. Sein Begründer Paul Ginsparg ist auf der Suche nach einer neuen Finanzierung.

Eine Vorversion einer wissenschaftlichen Veröffentlichung zu drucken oder zu fotokopieren, um sie dann per Post an Kollegen aus dem eigenen Fachgebiet zu verschicken, mutet heute ziemlich altmodisch an. Die Zeiten solcher Preprints sind in der Physik längst vorbei. Spätestens ab Mitte der Achtzigerjahre war die E-Mail als schnelle Kommunikationsform auf dem Vormarsch und wurde auch für die Verbreitung von Preprints genutzt. Was fehlte, war eine Möglichkeit, die Preprints an einem Ort zu sammeln und verfügbar zu machen. Das änderte sich am 14. August 1991. An diesem Tag startete der Teilchenphysiker Paul Ginsparg am Los Alamos National Laboratory einen elektronischen Preprint-Dienst für sein eigenes Forschungsgebiet. Acht Tage zuvor hatte Tim Berners-Lee die erste Seite des World Wide Web kreiert, doch davon erfuhr Paul Ginsparg erst über ein Jahr später.

Abb.: Bescheidene Anfänge: Der Computer auf Paul Ginspargs-Rechner, der in den frühen Neunzigerjahre als Server für arXiv diente. (Bild: J. Flower, LANL)


Was mit Ginspargs eigenem Computer als Server begann, entwickelte sich rasch zu einem unverzichtbaren Werkzeug der physikalischen Forschung, nicht nur für den schnelleren Austausch innerhalb einer Community, sondern auch, um Prioritäten anzumelden. Nach der Teilchenphysik kamen nach und nach weitere Gebiete wie Astro-, Kern- oder mathematische Physik hinzu. Auch die Mathematiker und Informatiker fanden Gefallen am digitalen Preprint-Service, der 1999 auf den Namen „arXiv“ getauft wurde. Mittlerweile existieren zahlreiche "mirror sites", die für einen verlässlichen Zugang zu arXiv sorgen.

Die meisten Preprints finden auch den Weg in die Fachjournale, aber manchmal etablieren sie sich auch ohne reguläre Veröffentlichung als wegweisende Arbeiten. Das berühmteste Beispiel dürfte sicher der Beweis der Poincaré-Vermutung des russischen Mathematikers Grigori Perelman sein, der dafür die Fields-Medaille erhalten sollte. Doch Perelmann nahm diese wichtigste Auszeichnung der Mathematik nicht an und verzichtete auch darauf, seinen Beweis in einer Fachzeitschrift zu veröffentlichen.

Auch Skurriles und Abseitigeres findet sich auf arXiv, beispielsweise Arbeiten über den „Warp Drive“ bei Star Trek oder Spekulatives in der Rubrik „General Physics“. Die Betreiber von arXiv nehmen kein Peer Review vor, sondern achten nur darauf, ob die Autoren einer anerkannten Forschungsinstitution angehören.

 Paul Ginsparg ging 2001 an die Cornell University, die auch den Betrieb des arXiv-Servers übernahm. Heute umfasst arXiv fast 70000 Preprints, die jährlichen Downloadzahlen liegen mittlerweile im zweistelligen Millionenbereich. Mit dieser Erfolgsgeschichte sind auch ein höherer technischer Aufwand und gestiegene Kosten verbunden. Jährlich kostet der Betrieb rund 400000 Dollar, wobei 80 Prozent auf Personalkosten entfallen und der Rest auf Rechner, Netzwerk und Serverbetrieb. Cornell will diese Kosten nicht mehr allein übernehmen, denn schließlich profitiert die weltweite Community von diesem Dienst und soll auch ihren Beitrag leisten. Daher ist Paul Ginsparg auf der Suche nach neuen Geldgebern.

Denkbar wären Forschungsorganisationen oder wissenschaftliche Fachgesellschaften. Dass eine verlässliche Finanzierung dringend nötig ist, betont Robert Klanner, DPG-Vorstandsmitglied Zeitschriften: „Für viele Wissenschaftler ist arXiv inzwischen schlichtweg unentbehrlich.“ Der Herbstworkshop der Arbeitsgruppe Information der DPG am 27. und 28. Oktober im Magnus-Haus in Berlin widmet sich daher unter anderem der Frage, wie ein neues Finanzierungsmodell und insbesondere ein deutscher Beitrag zu arXiv aussehen könnte.

Alexander Pawlak

Virtuelle Jobbörse

Virtuelle Jobbörse
Eine Kooperation von Wiley-VCH und der DPG

Virtuelle Jobbörse

Innovative Unternehmen präsentieren hier Karriere- und Beschäftigungsmöglichkeiten in ihren Berufsfeldern.

Die Teilnahme ist kostenfrei – erforderlich ist lediglich eine kurze Vorab-Registrierung.

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen