Atomare Prozesse in heißen Supraleitern
Fundamentale Wechselwirkungen von Wasserstoffatomen in Metallhydriden untersucht.
Supraleiter könnten die Energieversorgung eines Tages revolutionieren. Dafür müssen sie allerdings auch bei Raumtemperatur in der Lage sein, elektrischen Strom ohne Widerstand zu transportieren. Im Unterschied zu anderen Supraleitern besitzen wasserstoffreiche Metallhydride diese Fähigkeit nicht erst bei extremer Kälte, sondern schon bei Tiefkühlschrank-Temperaturen. Die Ursache hierfür sind atomare Prozesse, die ein Forschungsteam der Universität Bayreuth jetzt erstmals experimentell nachgewiesen hat und theoretisch erklären konnte. Die neuen Erkenntnisse enthalten wertvolle Ansatzpunkte für die Entwicklung technologisch attraktiver Supraleiter.
In den letzten fünf Jahren ist es Wissenschaftlern an verschiedenen Forschungseinrichtungen gelungen, unter extremen Drücken wasserstoffreiche Metallhydride herzustellen, die bei etwa minus zwanzig Grad Celsius supraleitend werden. Diese Sprungtemperatur liegt somit bei Metallhydriden erheblich höher als bei allen anderen Supraleitern, die nur bei extremer Kälte unterhalb von minus 200 Grad Celsius Strom ohne Widerstand transportieren. Die Ursachen dafür, dass es sich bei Metallhydriden anders verhält, lagen bisher im Dunkeln. Die Forscher am Bayerischen Geoinstitut (BGI) und am Labor für Kristallographie der Universität Bayreuth haben nun die fundamentalen Wechselwirkungen von Wasserstoffatomen in Metallhydriden entdeckt und erklärt.
„Wir verfügen jetzt über wertvolle Ansatzpunkte für das Design von Metallhydriden, die möglicherweise bei noch höheren Temperaturen supraleitend werden. Mit den neuen Technologien der Hochdruckforschung im Bayerischen Geoinstitut können wir diese Materialien synthetisieren und unsere Vorhersagen direkt vor Ort empirisch überprüfen. Die Messungen unter Hochdruck wirken wiederum auf unsere theoretischen Annahmen zurück. Dadurch ermöglichen sie immer präzisere Vorhersagen der atomaren Prozesse, die Metallhydride in den supraleitenden Zustand versetzen“, sagt Thomas Meier, der Leiter des Bayreuther Forschungsteams.
Die Vision der Forscher reicht weit in die Zukunft: Im Wechselspiel von theoretischen Vorhersagen und empirischen Messungen wollen sie Materialien synthetisieren, deren Sprungtemperaturen sich der normalen Raumtemperatur immer weiter annähern. Diese Materialien könnten eines Tages tatsächlich eine zentrale Bedeutung für den verlustfreien Transport elektrischer Energie gewinnen. Bis dahin ist allerdings noch eine andere Hürde zu überwinden: Die bisher untersuchten Metallhydride sind nur solange supraleitend, wie der hohe Kompressionsdruck anhält, unter dem sie entstanden sind. Sinkt der Druck, zerfallen die Materialien. Aber nur dann, wenn Supraleiter mit einer hohen Sprungtemperatur sich unter normalen Umgebungsbedingungen als stabil erweisen, kommen sie für technologische Anwendungen infrage.
Die neuen Erkenntnisse zu atomaren Prozessen in wasserstoffreichen Metallhydriden konnten dadurch erzielt werden, dass die Forscher zeitgleich zwei Technologien angewendet haben: die geo- und materialwissenschaftliche Hochdruckforschung und die Kernresonanzspektroskopie.
U. Bayreuth / JOL
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- Originalveröffentlichung
T. Meier et al.: Pressure-Induced Hydrogen-Hydrogen Interaction in Metallic FeH Revealed by NMR, Phys. Rev. X 9, 031008 (2019); DOI: 10.1103/PhysRevX.9.031008 - Bayerisches Geoinstitut (BGI), Universität Bayreuth