16.12.2003

Atome als Filmstars

Einzelne Atome lassen sich dabei filmen, wie sie von einem Förderband aus Licht bewegt werden.



Einzelne Atome lassen sich dabei filmen, wie sie von einem Förderband aus Licht bewegt werden.

Experimente mit einzelnen Ionen oder neutralen Atomen sind nicht nur für die Grundlagenforschung wichtig (etwa zur Messung von Naturkonstanten und Symmetrien) sondern auch für die angewandte Forschung (z. B. Atomuhren oder Quantencomputer). Darüber hinaus eröffnen sie die reizvolle Möglichkeit, ein isoliertes Quantenobjekt unmittelbar beobachten und manipulieren zu können.

Neutrale Atome sind experimentell wesentlich schwieriger in den Griff zu bekommen als Ionen, da sie viel schwächer mit elektromagnetischen Feldern wechselwirken. Dennoch haben inzwischen zahlreiche Forschergruppen einzelne neutrale Atome durch das Zusammenspiel von Magnetfeldern und Laserlicht in magneto-optischen Fallen festhalten können. Vor zwei Jahren gelang es der Gruppe von Dieter Meschede an der Universität Bonn, einzelne Cäsiumatome auf einem „optischen Förderband“ mehrere Millimeter weit zu transportieren. Jetzt konnten die Forscher die Atome dabei sogar filmen.

Wie schon in früheren Experimenten hat die Bonner Gruppe eine Handvoll Cäsiumatome in einer evakuierten magneto-optischen Falle festgehalten und von Zimmertemperatur auf ungefähr 100 μK abgekühlt. In der würfelförmigen Falle wurden die Atome aus allen sechs Raumrichtungen mit Laserlicht bestrahlt und durch den Impulsübertrag bei der Absorption der Laserphotonen gekühlt. Das von den angeregten Atomen ausgestrahlte Fluoreszenzleuchten wurde mit einer Linse gesammelt und wahlweise auf eine CCD-Kamera oder eine Avalanche-Photodiode fokussiert.

Film ab: ein einzelnes Cäsiumatome auf einem Förderband aus Laserlicht. (Um den Film zu starten, klicken Sie bitte auf das Bild.) (Quelle: Meschede/opticsexpress)

Mit Hilfe der Photodiode ließ sich innerhalb von 10 ms auszählen, wie viele Atome zu einem gegebenen Zeitpunkt in der Falle waren. Die CCD-Kamera hingegen ermöglichte es, die räumliche Verteilung der Atome in der Falle auf einen Mikrometer genau zu bestimmen. Für ein einzelnes Atom ergab sich ein rund 10 μm großer kreisförmiger Fleck – so viel Bewegungsraum ließ die Falle dem Atom. Es zeigte sich, dass es auf diese Weise noch nicht möglich war, die detaillierte Bewegung eines Atoms in der magneto-optischen Falle zu verfolgen.

Als die gewünschte Zahl von Cäsiumatomen in der Falle war, schalteten die Forscher ihr optisches Förderband an. Zwei entgegengesetzt gerichtete infrarote Laserstrahlen mit zunächst gleicher Frequenz erzeugten ein räumlich periodisches Interferenzmuster, das auf die Atome wie eine Kette von Potentialmulden wirkte. Jede der Mulden, die einen Abstand von rund 500 nm hatten, konnte ein Atom durch Dipolkräfte festhalten. Sobald das Atom in eine der Mulden gerutscht war, wurde seine Bewegungsfreiheit sehr stark eingeschränkt und es erschien auf dem Kamerabild als ein nur wenige Mikrometer großer, zigarrenförmiger Fleck (Abb.).

Dann verstimmten die Wissenschaftler die Frequenzen der beiden infraroten Laserstrahlen geringfügig gegeneinander, mit Hilfe von akusto-optischen Modulatoren. Dadurch veränderte sich das Interferenzmuster der beiden Laserstrahlen und es begann in Richtung eines der beiden Strahlen zu laufen: Das optische Förderband setzte sich in Bewegung – und mit ihm die in den Mulden festgehaltenen Atome. Um ihr Atom-Movie zu drehen, ließen die Forscher das Förderband 2 ms lang laufen, dann hielten sie es an. In dieser Zeit waren die Atome um 2 μm vorangekommen. Das Fluoreszenzlicht der Atome wurde eine Sekunde lang gesammelt, um ein Bild von den Atomen zu erzeugen. Schließlich setzten die Forscher das Förderband wieder für 2 ms in Bewegung und wiederholten die Prozedur. Die so gewonnenen Schnappschüsse fügten sie jeweils zu einem kleinen Film zusammen.

Wie diese Movies zeigen, konnte man ein oder mehrere Atome über eine Distanz von bis zu 60 μm transportieren und dabei eine Minute lang kontinuierlich beobachten, bevor die Atome durch Zusammenstöße mit Restgasatomen vom Förderband geworfen wurden. Für einen der Filme haben die Forscher zwischendurch die Bewegungsrichtung der Atome umgekehrt, indem sie das Förderband anhielten und in die entgegengesetzte Richtung laufen ließen.

Mit CCD-Kamera und optischem Förderband ausgerüstet, wollen die Bonner Forscher die Position von Atomen, etwa zwischen zwei Spiegeln, präzise kontrollieren und verändern. Dadurch hoffen sie, die Atome auf vorhersagbare und reproduzierbare Weise an die Schwingungen dieses optischen Resonators koppeln zu können. So ließen sich die Atome kontrolliert in einen gewünschten (verschränkten) Quantenzustand bringen. Mit dem optischen Förderband könnten die Atome dann zur Weiterverarbeitung ihres Quantenzustandes an einen anderen Ort transportiert werden. Aus diesen Bausteinen ließe sich vielleicht ein erster Quantencomputer herstellen.

Rainer Scharf

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