09.01.2015

Atome im freien Fall

Interferenz kalter Atome ermöglicht direkte Vermessung der Krümmung des Gravitationsfeldes.

Seit Galileo Galilei Kugeln vom Schiefen Turm von Pisa fallen ließ, hat sich einiges getan. Mittlerweile sind über 300 Experimente zur Bestimmung der Gravitationskonstante bekannt. So gut wie alle basieren auf einer Messung der Kraft zwischen empfindlich gelagerten, makroskopischen Massen – und weisen somit auch die gleichen systematischen Fehler auf. In den letzten Jahren hat jedoch eine neue Methode für Aufsehen gesorgt. Sie beruht, wie einst Galileis Experiment, auf dem freien Fall. Mittels Atominterferometrie werden quantenmechanische Effekte ausgenutzt, um die Bahnen ultrakalter Atome im Gravitationsfeld zu vermessen. Das ermöglichte nicht nur eine neuartige, unabhängige Messung der Gravitationskonstante – auch der Gradient des Erdgravitationsfeldes konnte auf diese Weise im Labormaßstab bestimmt werden. Einer Forschergruppe an der Universität Florenz ist nun der nächste Schritt gelungen: Sie konnte zum ersten Mal die Krümmung des Gravitationsfeldes durch eine Testmasse direkt nachweisen.

Abb.: Ultrakalte Rubidiumatome steigen in der Apparatur in unterschiedliche Höhen auf und werden an ihren Umkehrpunkten gravimetrisch gemessen. Massive Wolframzylinder im oberen Bereich erzeugen eine Krümmung im Gravitationsfeld (links). Die Krümmung der Gravitationsbeschleunigung durch die Testmasse ist klar erkennbar, ebenso der Gradient des Erdgravitationsfeldes. In der Darstellung wurde eine der Erdbeschleunigung entsprechende Konstante abgezogen (rechts, Bild: G. Rosi et al. / APS).

Um den Gradienten eines Feldes zu bestimmen, benötigt man Messpunkte an zwei verschiedenen Orten. Zur Bestimmung der Krümmung, also der zweiten Ableitung, muss das Feld jedoch an drei verschiedenen Punkten gemessen werden – und das am besten gleichzeitig. Dazu erzeugte die Arbeitsgruppe um Gabriele Rosi eine Art Springbrunnen aus Rubidium-Atomen in einer senkrechten, etwa einen Meter langen Röhre. Zunächst kühlten sie die Atome in einer magneto-optischen Falle am unteren Ende der evakuierten Röhre auf etwa vier Mikrokelvin ab. Dann ließen sie in schneller Reihenfolge drei Atomwolken in unterschiedliche Höhen aufsteigen. So erreichten alle drei Wolken zur gleichen Zeit ihren jeweiligen Umkehrpunkt, bevor sie wieder nach unten fielen. An diesen Umkehrpunkten, im Abstand von jeweils etwa 30 cm, erfolgte die Messung der Beschleunigung. Um eine Krümmung im Gravitationsfeld zu erzeugen, war im oberen Bereich der Apparatur eine 516 kg schwere Testmasse aus Wolfram angebracht.

Zur Bestimmung der Beschleunigung nutzten die Forscher einen quantenmechanischen Interferenzeffekt. Kurz vor Erreichen des jeweiligen Umkehrpunktes regte ein Laserstrahl einen Teil der Atome an und erzeugte so einen Überlagerungszustand. Da der Strahl entlang der Röhre verlief, ging mit der Anregung auch ein zusätzlicher Impuls in Bewegungsrichtung einher. Dadurch unterschieden sich die Bahnen der angeregten Atome von denen, die im Grundzustand verblieben. Das führte zu einer Phasenverschiebung zwischen den beiden Gruppen. Zwei weitere Laserpulse rekombinierten die beiden Zustände wieder und lieferten ein Interferenzmuster, aus dem die Beschleunigung abgeleitet werden konnte. So konnten die Forscher an allen drei Umkehrpunkten gleichzeitig die Gravitationskraft bestimmen und daraus die Krümmung des Feldes ermitteln. Der gemessene Wert für die Krümmung der Beschleunigung beträgt 1,4 × 10-5 s-2m-1 und entspricht exakt der theoretischen Vorhersage.

Von ihrer neuen Methode erwarten sich die Forscher nicht nur Fortschritte bei der Bestimmung der Gravitationskonstante - auch geophysikalische Modelle des Erdinneren könnten von derartigen Messungen profitieren. Diese Modelle beruhen im Wesentlichen darauf, aus dem Gravitationsfeld Rückschlüsse auf unterirdische Masseverteilungen zu ziehen. Je genauer man also das Feld und dessen höhere Ableitungen kennt, desto eindeutiger wird auch das Bild vom Inneren unseres Planeten.

Thomas Brandstetter


RK

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