27.06.2019

Atome im NMR-Blick

Neue Methode verfolgt direkt die Präzession eines einzelnen Kernspins.

Die Kernspin­resonanz-Spektro­skopie ist eine der wichtigsten physikalisch-chemischen Untersuchungs­methoden. Damit lässt sich beispiels­weise die Struktur und die Dynamik von Molekülen präzise bestimmen. Wie wichtig die Methode für die Wissenschaft ist, zeigt sich auch daran, dass die beiden letzten Nobel­preisträger der ETH Zürich, Richard Ernst und Kurt Wüthrich, für Weiter­entwicklungen dieser Methode ausgezeichnet wurden. Forschern aus der Gruppe von Christian Degen an der ETH Zürich haben nun einen neuen Ansatz entwickelt, mit dem es erstmals möglich wird, die Präzession eines einzelnen Kernspins direkt zu verfolgen. Zum Vergleich: Bei herkömm­lichen NMR-Messungen sind je nach Situation mindestens 1012 bis 1018 Atomkerne notwendig, damit überhaupt ein Messsignal registriert werden kann.

Abb.: Um die Präzession eines Kohlen­stoffkerns zu messen, nutzten Physiker...
Abb.: Um die Präzession eines Kohlen­stoffkerns zu messen, nutzten Physiker den Elektronen­spin einer benach­barten Gitter­fehlstelle als Sensor. (Bild: J. Rhensius & K. Cujia, ETHZ)

In ihrer Arbeit untersuchten die Forscher das Verhalten von Kohlenstoff-13-Atomen in Diamanten. Dabei maßen sie die Präzession des Kohlenstoff­kerns nicht auf her­kömmliche Weise, sondern sie nutzten den benachbarten Elektronenspin einer Gitter­fehlstelle des Diamanten – einem NV-Zentrum – als Sensor. „Wir nutzen also ein zweites Quantensystem, um das Verhalten des ersten Quanten­systems zu untersuchen“, bringt Kristian Cujia, Doktorand in Degens Gruppe, das Prinzip auf den Punkt. „Damit haben wir ein sehr empfind­liches Messsystem geschaffen.“

Quantensysteme sind heikle Objekte, da man bei einer Messung immer auch das zu beobachtende System beeinflusst. Deshalb konnten die Forscher das Verhalten des Kohlenstoff­spins nicht konti­nuierlich verfolgen, da sich sonst die Präzessions­bewegung zu stark verändert hätte. Sie entwickelten deshalb ein spezielles Messverfahren, bei dem der Spin des Kohlenstoff­atoms durch eine Serie von kurz aufeinander­folgenden schwachen Messungen erfasst wird. Dadurch wurde es möglich, den Einfluss der Beobachtung so gering zu halten, dass das System nicht messbar beeinflusst wird und die ursprüngliche Kreis­bewegung immer noch erkennbar bleibt.

„Unsere Methode öffnet den Weg für eine bemerkens­werte Weiter­entwicklung der NMR-Technologie“, hält Degen fest. „Wir sind damit potenziell in der Lage, direkt Spektren von einzelnen Molekülen aufzunehmen und Strukturen auf atomarer Ebene zu analysieren.“ Als erstes Beispiel haben die Physiker die dreidimensionale Lage der Kohlenstoff­kerne im Diamantgitter mit atomarer Auflösung bestimmt. Die Physiker sehen in dieser Entwicklung viel Potenzial. „Derart detaillierte NMR-Messungen könnten in vielen Bereichen zu völlig neuen Einsichten führen, so wie dies durch die her­kömmliche NMR-Spektroskopie in den letzten Jahrzehnten bereits geschehen ist.“

ETHZ / JOL

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