12.05.2016

Auf dem Weg zum Licht-Quantengatter

Ultrakalte Wolke aus Rubidiumatomen lässt sich als logischer Schalter für Photonen einsetzen.

Weltweit arbeiten Wissenschaftler an Konzepten für zukünftige Quanten­computer und an deren experimenteller Realisierung. Der typische „Standard-Quanten­computer“ soll nach gängigen Vorstellungen auf einem System von vernetzten Quanten­teilchen basieren, die der Speicherung, Kodierung und Verarbeitung von Quanten­information dienen. Zentrales Bauelement wäre auch hier – analog zu einem klassischen Computer – ein Quanten­gatter, das Eingangs­signalen eindeutig bestimmte Ausgangssignale zuordnet. Ein Team um Stephan Dürr aus der Abteilung Quantendynamik von Gerhard Rempe am Max-Planck-Institut für Quanten­optik hat jetzt in einem Experiment gezeigt, wie sich eine wichtige Gatter­funktion – die Vertauschung der binären Bit-Werte „0“ und „1“ – mit einzelnen Licht­quanten realisieren lässt. Dabei wird zunächst ein Licht­puls aus einem einzigen Photon in einer ultrakalten Wolke aus rund 100.000 Rubidium­atomen als Anregung gespeichert. Dies bewirkt, dass ein nach­folgender Lichtpuls beim Durch­laufen der atomaren Wolke eine Phasen­verschiebung von 180 Grad erhält.

Abb.: Eine Wolke von kalten Atomen wird mit rotem Signallicht und blauem Kopplungslicht beleuchtet. Die Lichtpulse werden auf dichroitischen Spiegeln (DM) überlagert. Mit Wellenplatten (WP), einem polarisierenden Strahlteiler (PBS), und Avalanche-Photodiode (APD) wird die Polarisation des transmittierten Signallichts bestimmt. (Bild: MPQ)

„Photonen eignen sich hervorragend für die Übertragung von Quanten­information, weil sie mit ihrer Umgebung kaum in Wechsel­wirkung treten und daher leicht über große Entfernungen über­tragen werden können“, erklärt Stephan Dürr, der Leiter des Projektes. „Aus diesem Grund arbeiten wir an der Entwicklung von Photon-Photon-Quanten­gattern, bei denen einzelne Lichtpulse einlaufende photonische Qubits determiniert verändern können.“

Bei der Verarbeitung von Daten haben logische Gatter die Aufgabe, eine Wahrheits­tabelle umzusetzen, die jeder Bit-Kombination eines Eingangs­signals eindeutig Ausgangs­signale zuordnet. Dabei lässt sich etwa der Wert 0 in 1 umwandeln bzw. umgekehrt. Bei einem Photon-Photon-Quanten­gatter entspricht das dem Vorgang, dass ein einzelnes Photon ein zweites einzelnes Photon gezielt manipuliert. Diese Wechsel­wirkung kann nur durch Materie vermittelt werden. Allerdings war es bisher nicht gelungen, ein physikalisches System zu finden, in dem diese Wechsel­wirkung hinreichend stark ist.

In dem vorliegenden Experiment wird eine Wolke aus rund 100.000 Rubidium­atomen auf 0,5 Mikro­kelvin gekühlt und in einer aus mehreren Licht­feldern gebildeten Dipolfalle gefangen gehalten. Diese atomare Wolke bestrahlen die Forscher mit drei schnell aufeinander folgenden Licht­pulsen. Der erste Kontroll-Puls entscheidet darüber, ob sich der zweite Target-Puls beim Durchgang durch das atomare Gas signifikant ändert, d.h. ob die Gatter­funktion ein- oder ausgeschaltet ist. Mit einem dritten Puls wird eine gegebenen­falls gespeicherte Anregung wieder ausgelesen.

Der Trick dabei ist, dass die Lichtpulse zwei Komponenten enthalten. Zum einen das extrem schwache rote Signallicht, dessen Wellenlänge von 780 Nanometern nah-resonant zu einem bestimmten atomaren Übergang ist. Ein Lichtpuls ist dabei so schwach, dass er im Mittel etwa ein Photon enthält. Ohne weitere Maß­nahmen würde er die Wolke durchlaufen und dabei eine gewisse Phasen­verschiebung erfahren. Erst die Zumischung von relativ intensivem blauen „Kopplungs­licht“ mit einer Wellenlänge von 480 Nanometern macht es möglich, das Photon aus dem Signal­puls kontrolliert und reversibel abzuspeichern. Dabei wird ein Atom in der Wolke in einen hoch­angeregten Rydberg-Zustand überführt, bei dem ein Elektron extrem weit vom Atomkern entfernt ist.

Anschließend beleuchtet man die Atome mit einem Target-Puls, der ebenfalls sowohl Signal­licht als auch Kopplungs­licht enthält. Da die Rydberg-Anregung mit anderen Atomen in der Wolke eine weitreichende Van-der-Waals-Wechselwirkung hat, verschieben sich gewisse atomare Energie­niveaus in der Wolke und sind somit in Bezug auf die Energie des Target-Pulses stärker verstimmt, als wenn vorher kein Kontroll­puls abgespeichert worden wäre.

Aufgrund dieser Verstimmung erfährt der Target-Puls beim Durchgang durch die Atomwolke eine Phasen­verschiebung, die sich um 180 Grad von der Phasen­verschiebung ohne vorheriges Abspeichern eines Kontrollpulses unterscheidet. „Diese durch die Van-der-Waals-Wechselwirkung erzeugte zusätzliche Phasen­verschiebung ist der springende Punkt. Denn damit können Quanten­zustände generiert werden, die zueinander orthogonal sind, was einem Übergang eines Bit-Wertes von 0 nach 1 entspricht“, führt Dürr aus. Anschließend wird durch erneute Beleuchtung der Atomwolke, diesmal nur mit Kopplungs­licht, das ursprünglich abgespeicherte Signal­photon wieder ausgelesen.

In einer Reihe von Messungen bestimmten die Wissenschaftler mit Hilfe von Wellenplatten und einem polarisierenden Strahl­teiler die Polarisation der beiden roten Signal­photonen nach Durch­laufen der atomaren Wolke. Damit wiesen sie nach, dass der Lichtpuls eine zusätzliche Phasen­verschiebung von 180 Grad erhalten hatte, wenn der Signallaser während des Kontroll­pulses eingeschaltet war. Der ganze Zyklus – vom Speichern des Kontroll­pulses über die Propagation des Target-Pulses bis zum Auslesen des Kontroll­pulses – dauert dabei insgesamt nur wenige Mikrosekunden.

„Wir konnten zeigen, dass wir mit Hilfe nur eines Kontroll­photons die Polarisations­ebene des photonischen Qubits im Target-Puls drehen können“, erläutert Dürr. „Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Realisierung von Quanten­gattern. Aber Quanten­gatter müssen darüber hinaus die Möglichkeit bieten, aus zwei getrennten Anfangs­zuständen einen verschränkten End­zustand zu erzeugen. Um das zu erreichen, haben wir weiter­führende Experimente geplant.“

MPQ / DE

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