Weltweit arbeiten Wissenschaftler an Konzepten für zukünftige Quantencomputer und an deren experimenteller Realisierung. Der typische „Standard-Quantencomputer“ soll nach gängigen Vorstellungen auf einem System von vernetzten Quantenteilchen basieren, die der Speicherung, Kodierung und Verarbeitung von Quanteninformation dienen. Zentrales Bauelement wäre auch hier – analog zu einem klassischen Computer – ein Quantengatter, das Eingangssignalen eindeutig bestimmte Ausgangssignale zuordnet. Ein Team um Stephan Dürr aus der Abteilung Quantendynamik von Gerhard Rempe am Max-Planck-Institut für Quantenoptik hat jetzt in einem Experiment gezeigt, wie sich eine wichtige Gatterfunktion – die Vertauschung der binären Bit-Werte „0“ und „1“ – mit einzelnen Lichtquanten realisieren lässt. Dabei wird zunächst ein Lichtpuls aus einem einzigen Photon in einer ultrakalten Wolke aus rund 100.000 Rubidiumatomen als Anregung gespeichert. Dies bewirkt, dass ein nachfolgender Lichtpuls beim Durchlaufen der atomaren Wolke eine Phasenverschiebung von 180 Grad erhält.
Abb.: Eine Wolke von kalten Atomen wird mit rotem Signallicht und blauem Kopplungslicht beleuchtet. Die Lichtpulse werden auf dichroitischen Spiegeln (DM) überlagert. Mit Wellenplatten (WP), einem polarisierenden Strahlteiler (PBS), und Avalanche-Photodiode (APD) wird die Polarisation des transmittierten Signallichts bestimmt. (Bild: MPQ)
„Photonen eignen sich hervorragend für die Übertragung von Quanteninformation, weil sie mit ihrer Umgebung kaum in Wechselwirkung treten und daher leicht über große Entfernungen übertragen werden können“, erklärt Stephan Dürr, der Leiter des Projektes. „Aus diesem Grund arbeiten wir an der Entwicklung von Photon-Photon-Quantengattern, bei denen einzelne Lichtpulse einlaufende photonische Qubits determiniert verändern können.“
Bei der Verarbeitung von Daten haben logische Gatter die Aufgabe, eine Wahrheitstabelle umzusetzen, die jeder Bit-Kombination eines Eingangssignals eindeutig Ausgangssignale zuordnet. Dabei lässt sich etwa der Wert 0 in 1 umwandeln bzw. umgekehrt. Bei einem Photon-Photon-Quantengatter entspricht das dem Vorgang, dass ein einzelnes Photon ein zweites einzelnes Photon gezielt manipuliert. Diese Wechselwirkung kann nur durch Materie vermittelt werden. Allerdings war es bisher nicht gelungen, ein physikalisches System zu finden, in dem diese Wechselwirkung hinreichend stark ist.
In dem vorliegenden Experiment wird eine Wolke aus rund 100.000 Rubidiumatomen auf 0,5 Mikrokelvin gekühlt und in einer aus mehreren Lichtfeldern gebildeten Dipolfalle gefangen gehalten. Diese atomare Wolke bestrahlen die Forscher mit drei schnell aufeinander folgenden Lichtpulsen. Der erste Kontroll-Puls entscheidet darüber, ob sich der zweite Target-Puls beim Durchgang durch das atomare Gas signifikant ändert, d.h. ob die Gatterfunktion ein- oder ausgeschaltet ist. Mit einem dritten Puls wird eine gegebenenfalls gespeicherte Anregung wieder ausgelesen.
Der Trick dabei ist, dass die Lichtpulse zwei Komponenten enthalten. Zum einen das extrem schwache rote Signallicht, dessen Wellenlänge von 780 Nanometern nah-resonant zu einem bestimmten atomaren Übergang ist. Ein Lichtpuls ist dabei so schwach, dass er im Mittel etwa ein Photon enthält. Ohne weitere Maßnahmen würde er die Wolke durchlaufen und dabei eine gewisse Phasenverschiebung erfahren. Erst die Zumischung von relativ intensivem blauen „Kopplungslicht“ mit einer Wellenlänge von 480 Nanometern macht es möglich, das Photon aus dem Signalpuls kontrolliert und reversibel abzuspeichern. Dabei wird ein Atom in der Wolke in einen hochangeregten Rydberg-Zustand überführt, bei dem ein Elektron extrem weit vom Atomkern entfernt ist.
Anschließend beleuchtet man die Atome mit einem Target-Puls, der ebenfalls sowohl Signallicht als auch Kopplungslicht enthält. Da die Rydberg-Anregung mit anderen Atomen in der Wolke eine weitreichende Van-der-Waals-Wechselwirkung hat, verschieben sich gewisse atomare Energieniveaus in der Wolke und sind somit in Bezug auf die Energie des Target-Pulses stärker verstimmt, als wenn vorher kein Kontrollpuls abgespeichert worden wäre.
Aufgrund dieser Verstimmung erfährt der Target-Puls beim Durchgang durch die Atomwolke eine Phasenverschiebung, die sich um 180 Grad von der Phasenverschiebung ohne vorheriges Abspeichern eines Kontrollpulses unterscheidet. „Diese durch die Van-der-Waals-Wechselwirkung erzeugte zusätzliche Phasenverschiebung ist der springende Punkt. Denn damit können Quantenzustände generiert werden, die zueinander orthogonal sind, was einem Übergang eines Bit-Wertes von 0 nach 1 entspricht“, führt Dürr aus. Anschließend wird durch erneute Beleuchtung der Atomwolke, diesmal nur mit Kopplungslicht, das ursprünglich abgespeicherte Signalphoton wieder ausgelesen.
In einer Reihe von Messungen bestimmten die Wissenschaftler mit Hilfe von Wellenplatten und einem polarisierenden Strahlteiler die Polarisation der beiden roten Signalphotonen nach Durchlaufen der atomaren Wolke. Damit wiesen sie nach, dass der Lichtpuls eine zusätzliche Phasenverschiebung von 180 Grad erhalten hatte, wenn der Signallaser während des Kontrollpulses eingeschaltet war. Der ganze Zyklus – vom Speichern des Kontrollpulses über die Propagation des Target-Pulses bis zum Auslesen des Kontrollpulses – dauert dabei insgesamt nur wenige Mikrosekunden.
„Wir konnten zeigen, dass wir mit Hilfe nur eines Kontrollphotons die Polarisationsebene des photonischen Qubits im Target-Puls drehen können“, erläutert Dürr. „Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Realisierung von Quantengattern. Aber Quantengatter müssen darüber hinaus die Möglichkeit bieten, aus zwei getrennten Anfangszuständen einen verschränkten Endzustand zu erzeugen. Um das zu erreichen, haben wir weiterführende Experimente geplant.“
MPQ / DE