03.11.2015

Auf der Jagd nach neuen Neutrinos

Internationales Neutrino-Großprojekt MicroBooNE erfolgreich angelaufen.

Neutrinos zu messen ist nicht einfach – sie sind nur sehr schwer nachweisbar und werden daher auch Geister­teilchen genannt. Weltweit erforschen mehrere Projekte die rätselhaften Teilchen, die laut dem Standard­modell der Physik keine Masse haben dürften. Sie bestehen aber aus drei Typen, die sich ineinander umwandeln können – und somit doch eine Masse haben müssen.

Abb.: Eines der ersten Bilder einer Neutrino-Wechselwirkung in MicroBooNE: Das Neutrino wird erst sichtbar, als es etwa in der Mitte des Bildes auf ein Argon-Atom trifft (roter Punkt). Die daraus entstandenen Partikel sind durch ihre Spuren im Detektor sichtbar. Daneben sind Spuren von den allgegenwärtigen kosmischen Strahlen zu sehen. (Bild: MicroBooNE Experiment, Fermilab)

Um Neutrinos sichtbar zu machen, sind riesige Detektoren nötig. Der MicroBooNE-Detektor am Fermilab nahe Chicago setzt nun erfolgreich eine innovative Technologie zur Aufzeichnung von Neutrinos ein. Diese Technologie beruht auf dem Edelgas Argon und wurde in den letzten zehn Jahren unter maßgeblichen Beiträgen der Uni Bern entwickelt. Daher liegt die wissenschaftliche Leitung des internationalen Groß­projekts auch beim Berner Teilchen­physiker Michele Weber vom Albert Einstein Center der Uni Bern. Das Experiment läuft über drei Jahre und soll die Frage klären, ob neben den drei bekannten Typen von Neutrinos noch ein vierter Typ besteht.

Die Beschleuniger-Anlage am Fermilab, welche die Neutrinos erzeugt, wurde am 15. Oktober in Betrieb genommen. Schon kurz darauf fanden sich im MicroBooNE-Detektor die Spuren der ersten Neutrino-Interaktionen. „Ein unglaublich spannender Moment und wichtiger Meilenstein nach neun Jahren Planung und Bauzeit“, sagt Weber. Am Experiment sind über hundert Forscher beteiligt.

Argon ist um vierzig Prozent dichter als Wasser, weshalb die Wahrschein­lichkeit höher ist, dass Neutrinos damit interagieren. Der MicroBooNE-Detektor besteht aus einem zehn Meter langen Tank mit dreieinhalb Metern Durchmesser. Dieser ist mit 170 Tonnen flüssigem Argon gefüllt und auf minus 185 Grad Celsius heruntergekühlt. Bei der Kollision eines künstlich erzeugten Neutrinos mit einem Argon-Atom entstehen Spuren im Tank, die dann aufgezeichnet werden. Daraus werden hochauflösende 3D-Bilder rekonstruiert, um so die Eigenschaften der Neutrinos zu studieren.

„Dass Neutrinos von großem Interesse sind, zeigt auch die Tatsache, dass der Physik-Nobelpreis 2015 für die Entdeckung der Umwandlungen von Neutrinos vergeben wurde“, sagt Antonio Ereditato, Direktor des Albert Einstein Center. Unter Ereditatos Leitung ist das Berner Team neben weiteren Neutrino-Experimenten seit 2006 maßgeblich an der Entwicklung der Technologie der Liquid Argon Time Projection Chamber beteiligt. Diese ermöglicht es, Interaktionen von Neutrinos millimeter­genau aufzuzeichnen. Zudem bauten die Berner Forscher ein neuartiges Laser-System zur Kalibrierung des Detektors und große Detektor-Panels, die kosmische Strahlen identifizieren, welche sonst die Spuren der Neutrinos überschatten würden.

Die ersten Neutrino-Messungen von MicroBooNE sind auch ein wichtiger Schritt für zukünftige Großprojekte in der Neutrino-Physik. „Was für die Physik der Protonen-Kollisionen der LHC am CERN in Genf ist, das sind für die Neutrinos die Forschungs­zentren in Japan und den USA“, sagt Ereditato. Er spielt bei der Konzeption von mehreren weiteren Detektoren, die am Fermilab geplant sind und auf derselben Technologie aufbauen wie MicroBooNE, eine Schlüsselrolle. Das größte dieser geplanten Projekte ist ein internationales, 1,4 Milliarden Dollar teures Experiment mit einem von Chicago nach South Dakota gerichteten Neutrino-Strahl, das Deep Underground Neutrino Experiment DUNE. „MicroBooNE ist sozusagen die Feuertaufe für dieses Großprojekt – und es hat alles auf Anhieb geklappt“, sagt Weber erfreut.

UB / RK

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