06.07.2021

Auf der Spur topologischer Qubits

Wie die Suche nach Majorana-Nullmoden auch in die Irre führen kann.

Quantencomputer versprechen große Fortschritte in vielen Bereichen – von Krypto­graphie bis zur Simulation von Protein­faltung. Aber welches physikalische System am besten dafür geeignet ist, die zugrundeliegenden Quantenbits zu bauen, ist noch eine offene Frage. Anders als normale Bits in einem Computer können diese& Qubits nicht nur die Werte Null und Eins annehmen, sondern auch Mischungen aus beiden. Das macht sie zwar potenziell sehr nützlich, aber auch sehr instabil. Eine Lösungs­strategie setzt auf topo­logische Qubits, welche die Information in ihrer räumlichen Anordnung darstellen. Sie könnten eine stabilere Basis für Berechnungen bieten als andere Systeme, die zudem auch resistenter gegen Fehler wäre. Das Problem ist, dass bisher noch niemand ein topo­logisches Qubit widerspruchs­frei nachgewiesen hat.

Abb.: Mit dieser Leiter­platte zur Montage eines Nano­drahts suchen Physiker...
Abb.: Mit dieser Leiter­platte zur Montage eines Nano­drahts suchen Physiker nach topo­logischen Qubits. (Bild: IST Austria)

Ein internationales Team von Forschenden aus Österreich, Kopenhagen und Madrid rund um Marco Valentini von der Nano­elektronik-Gruppe am IST Austria hat nun ein neuartiges Experiment mit einem Nanodraht durchgeführt. Theorien sagen voraus, dass dieser die Majo­rana-Nullmoden erzeugt – der Grundbaustein für ein topo­logisches Qubit. Die Forsche fanden jedoch heraus, dass ein Signal für solche Moden sie in die Irre führen kann. Der Versuchsaufbau besteht dabei aus einem winzigen Draht, der nur einige hundert Nanometer lang ist und von Peter Krogstrup von Micro­soft Quantum und der Universität Kopenhagen gezüchtet wurde. Diese Nano­drähte bilden eine frei schwebende Verbindung zwischen zwei Metall­leitern auf einem Chip. Sie sind mit einem supraleitenden Material beschichtet. Die Beschichtung reicht bis zu einem winzigen Rest an einem Ende des Drahtes, der das zentrale Teil des Experiments bildet – die Grenzzone. Die ganze Vorrichtung ist auch von einem Magnet­feld durchsetzt.

Die Theorien der Wissenschafter sagten voraus, dass Majorana-Nullmoden in dem Nanodraht auftreten sollten. Diese Moden sind ein seltsames Phänomen, denn ursprüng­lich waren sie bloß ein mathe­matischer Trick am Papier, um ein Elektron im Draht als aus zwei Hälften bestehend zu beschreiben. Normaler­weise behandeln Physiker Elektronen nicht als etwas, das geteilt werden kann. Aber mit diesem Nanodraht sollte es jedoch möglich sein, diese „Elektronen­hälften“ zu trennen und sie als Qubits zu verwenden.

„Wir waren begeistert, an dieser vielver­sprechenden Plattform zu arbeiten“, erklärt Marco Valentini. „Wir erwarteten, das Signal von Majo­rana-Nullmoden im Nanodraht zu sehen, doch wir fanden nichts. Zuerst waren wir verwirrt, dann frustriert. In enger Zusammen­arbeit mit unseren Kollegen aus der Gruppe Theory of Quantum Materials and Solid State Quantum Techno­logies in Madrid untersuchten wir den Aufbau und fanden schließlich heraus, was falsch gelaufen war.“ Nachdem sie versucht hatten, die Signaturen der Majorana-Null­moden zu finden, begannen die Forscher, den Aufbau des Experiments zu variieren. Sie wollten heraus­zufinden, ob irgend­welche Effekte aus seiner Architektur ihr Experiment gestört hatten. „Wir haben mehrere Experi­mente mit verschieden langen Nanodrähten gemacht, um heraus­zufinden, was schief läuft“, erklärt Valentini. „Es dauerte eine Weile, aber als wir die Länge der unbe­schichteten Grenzzone von hundert auf zweihundert Nanometer verdoppelten, fanden wir den Übeltäter.“

Wenn die Grenzzone groß genug war, bildete der freiliegende innere Nanodraht einen Quantenpunkt. Die Elektronen in diesem Quantenpunkt konnten dann mit denen im beschichteten Supra­leiter nebenan wechsel­wirken und so das Signal der „Elektronen­hälften“ – die Majorana-Nullmoden – imitieren, nach denen die Wissenschafter gesucht hatten. „Wir brauchten mehrere Schritte, um auf diese unerwartete Schluss­folgerung zu kommen. Nachdem wir das theoretische Modell aufgestellt hatten, wie der Quantenpunkt mit dem Supraleiter in einem Magnetfeld wechsel­wirkt, verglichen wir die experi­mentellen Daten mit detaillierten Simu­lationen, die von Fernando Peñaranda, einem Doktoranden im Madrider Team, durchgeführt wurden", so Valentini.

„Die Verwechslung dieses imitierten Signals mit den Majorana-Nullmoden zeigt uns, wie vorsichtig wir bei unseren Experimenten und unseren Schluss­folgerungen sein müssen“, mahnt Valentini. „Während dies wie ein Rückschritt bei der Suche nach Majorana-Null­moden erscheinen mag, ist es tatsächlich ein entscheidender Schritt vorwärts im Verständnis von Nano­drähten und deren experimentellen Signalen. Dieses Ergebnis zeigt, dass der Kreislauf von Entdeckung und kritischer Prüfung durch inter­nationale Kollegen für den wissen­schaftlichen Fortschritt von zentraler Bedeutung ist.“

IST Austria / JOL

 

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