16.04.2020

Auf der Suche nach dunkler Materie

Neue Daten von Belle II zeigen dem Z‘-Boson Grenzen auf.

Im japanischen Forschungszentrum für Teilchen­physik KEK in Tsukuba, etwa fünfzig Kilometer nördlich von Tokio, ist seit etwa einem Jahr das Belle II-Experiment in Betrieb. Hier sucht ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) nach exotischen Teilchen, die unser Verständnis der dunklen Materie im Universum voranbringen sollen. Für eines dieser Teilchen, das Z‘-Boson („Z-Strich“), konnten nun die Masse und die Stärke seiner Wechselwirkung mit bisher unerreichbarer Genauigkeit eingegrenzt werden. 

Abb.: Das Experiment Belle II ist auf der Suche nach dunkler Materie. (Bild: F....
Abb.: Das Experiment Belle II ist auf der Suche nach dunkler Materie. (Bild: F. Metzner, KIT)

Seit etwa einem Jahr nimmt das Belle-II-Experiment Daten für physikalische Messungen. Sowohl der Elektron-Positron-Beschleuniger SuperKEKB als auch der Detektor Belle II waren in mehrjährigen Umbauarbeiten gegenüber den Vorgängern verbessert worden, um eine vierzig Mal höhere Rate an Daten zu erzielen.

Wissenschaftler aus zwölf Instituten in Deutschland sind maßgeblich am Bau und Betrieb des Detektors, der Entwicklung von Auswertungsalgorithmen und der Analyse der Daten beteiligt. Das KIT hat für Belle II Software zur Rekonstruktion der Teilchenspuren entwickelt, anwendungs­spezifische integrierte Schaltungen (ASICs) für die Auslese der Daten entwickelt und produziert, Hardware mit modernen Machine-Learning-Algorithmen zum Aufspüren von Teilchenspuren konstruiert und Berechnungen durchgeführt, die die künftigen Belle-II-Daten mit fundamentalen Theorien verknüpfen. „Eine Besonderheit des KIT ist, dass dabei Physiker und Elektro­ingenieure eng zusammen­gearbeitet haben”, erklärt Ulrich Nierste aus dem Institut für Theoretische Teilchenphysik des KIT, dessen Arbeitsgruppe theoretische Studien für das Experiment durchführt.

Mit Belle II suchen Wissenschaftler nach Spuren neuer Physik, mit der sich zum Beispiel das ungleiche Vorkommen von Materie und Antimaterie oder die dunkle Materie erklären lassen. Eines der bisher unentdeckten Teilchen, nach dem der Belle-II-Detektor Ausschau hält, ist das Z‘-Boson – eine Variante des bereits nachgewiesenen Z-Bosons. Letzteres agiert als Austausch­teilchen für die schwache Wechsel­wirkung. 

Soweit wir wissen, besteht etwa 25 Prozent des Universums aus Dunkler Materie, wohingegen die sichtbare Materie knappe 5 Prozent des Energiebudgets ausmacht. Beide Materieformen ziehen sich gegenseitig über die Schwerkraft an. Das Z‘-Boson könnte eine interessante Rolle beim Zusammenspiel von dunkler und normaler, sichtbarer Materie spielen, also eine Art Vermittler zwischen den beiden Materieformen sein. Das Z‘ kann – zumindest theoretisch – aus der Kollision von Elektronen und Positronen am SuperKEKB hervorgehen und dann in unsichtbare Dunkle-Materie-Teilchen zerfallen. „Somit kann das Z‘-Boson helfen, das Verhalten von dunkler Materie zu verstehen – und nicht nur das: Mit der Entdeckung des Z‘ ließen sich auch andere Beobachtungen erklären, die nicht mit dem Standardmodell, der grundlegenden Theorie der Teilchenphysik, in Einklang stehen“, erläutert Ulrich Nierste die Untersuchungen.

Doch wie lässt sich das Z‘-Boson im Belle-II-Detektor aufspüren? Nicht auf direktem Weg, so viel ist sicher. Theoretische Modelle und Simulations­rechnungen sagen voraus, dass sich das Z‘ durch Wechsel­wirkungen mit Myonen, schwereren Verwandten der Elektronen, verraten könnte: Wenn Wissenschaftler nach den Elektron-Positron-Zusammen­stößen eine ungewöhnliche hohe Anzahl an Myonenpaaren mit gegen­sätzlicher Ladung sowie unerwartete Abweichungen bei Energie- und Impulserhaltung entdecken, wäre das ein wichtiges Indiz für das Z‘.

Allerdings lieferten die neuen Belle-II-Daten noch keine Anzeichen für das Z'-Boson. Jedoch können die Wissenschaftler mit den neuen Daten die Masse und Kopplungs­stärken des Z‘-Bosons mit einer bisher unerreich­baren Genauigkeit einschränken. 

Diese ersten Ergebnisse stammen aus der Analyse einer kleinen Menge an Daten, die noch in der Anlaufphase von SuperKEKB im Jahr 2018 gewonnen wurden. Seinen Vollbetrieb nahm Belle II am 25. März 2019 auf. Seither sammelt das Experiment Daten, während gleichzeitig die Kollisionsrate von Elektronen und Positronen stetig verbessert wird. Wenn das Experiment perfekt eingestellt ist, wird es ein Vielfaches der Daten liefern, die in die aktuell veröffentlichten Analysen eingeflossen sind. Die Forscher hoffen so, neue Erkenntnisse über die Natur der dunklen Materie und andere ungeklärte Fragen zu erzielen. „Mit mehr Daten eröffnen sich neue Möglichkeiten, die dunkle Materie zu erforschen: In Zerfällen schwerer Mesonen könnten Z’-Bosonen oder andere ‚dunkle‘ Austausch­teilchen entstehen, die den Detektor verlassen, aber als Defizit in der Energiebilanz des Zerfalls dennoch bemerkt werden”, erläutert Goldenzweig, dessen Arbeitsgruppe am Institut für experimentelle Teilchenphysik des KIT auf solche Messungen spezialisiert ist. 

KIT / DE
 

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