Wissenschaftlern der Universität Rostock ist es in enger Zusammenarbeit mit Partnern von der TU Wien gelungen, eine Designmethode für künstliche Materialien zu entwickeln, die bei präzise dosierter Energiezufuhr Lichtsignale veränderungsfrei übertragen können. Die Kontrolle des Energieflusses ermöglicht es also, das künstliche Medium für ein Lichtsignal vollständig durchsichtig zu machen.
„Wenn sich Licht in einem inhomogenen Medium ausbreitet, dann tritt Streuung auf“, erläutert Alexander Szameit von der Uni Rostock. Wie Licht gestreut wird, hängt dabei von der mikroskopischen Dichteverteilung des Stoffes ab. „Die grundlegende Idee der induzierten Durchsichtigkeit liegt darin, sich eine weitaus weniger bekannte optische Eigenschaft zu Nutze zu machen, um Licht sozusagen den Weg zu ebnen.“ Diese zweite Eigenschaft, die Nicht-Hermitizität, beschreibt den Zufluss und das Abklingen von Energie.
Intuitiv mögen die damit verbundenen Effekte störend erscheinen – insbesondere das Verblassen eines Lichtstrahls durch Absorption scheint einer Verbesserung der Signalausbreitung alles andere als zuträglich. Dennoch sind nichthermitesche Effekte aus der modernen Optik nicht mehr weg zu denken. So beschäftigt sich ein ganzer Forschungszweig damit, wie das komplexe Zusammenspiel von Verlusten und Verstärkung gezielt zur Anwendung gebracht werden kann.
„Dieser Ansatz eröffnet gänzlich neue Möglichkeiten,“ sagt Andrea Steinfurth von der Uni Rostock. Für einen Lichtstrahl bedeutet das konkret, dass er auf mikroskopischer Ebene in unterschiedlichen Bereichen eines streuenden Materials verstärkt oder abgeschwächt werden kann. „Wir verändern hier aktiv ein Material, um es für die Transmission eines bestimmten Lichtsignals anzupassen“, erklärt Steinfurth. „Dafür muss der Energiefluss exakt abgestimmt sein, um sich mit Material und Signal wie Puzzleteile zusammenzufügen.“ Experimentell konnte das Team der Uni Rostock und der TU Wien die mikroskopischen Wechselwirkungen von Lichtsignalen und den neu entwickelten aktiven Materialien in Netzwerken aus kilometerlangen Glasfasern nachstellen.
Induzierte Durchsichtigkeit ist tatsächlich nur eine der faszinierenden Möglichkeiten, die sich aus diesen Erkenntnissen ergeben. Um ein Objekt wahrhaft unsichtbar zu machen, reicht es nicht aus, Streueffekte zu kompensieren. Lichtwellen müssen stattdessen gänzlich ungestört dahinter wieder auftauchen. Allein schon die selbst im Vakuum des Weltalls auftretende Beugung sorgt jedoch dafür, dass sich ein Signal beim Durchdringen eines Raumgebietes zwangsläufig verändert. „Unsere Forschung liefert das Rezept dafür, ein Material so zu strukturieren, dass Lichtstrahlen auf der anderen Seite so herauskommen, als gäbe es weder das Material, noch das von ihm eingenommene Raumgebiet“, betont Matthias Heinrich von der Uni Rostock.
Die im Rahmen der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse stellen einen Durchbruch in Grundlagenforschung zur nichthermiteschen Photonik dar und liefern neue Ansätze für die aktive Feinabstimmung sensibler optischer Systeme, beispielsweise Sensoren im medizinischen Bereich. Weitere Anwendungen liegen in der optischen Verschlüsselung und sicheren Datenübertragung sowie der Synthese vielseitiger künstlicher Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften.
U. Rostock / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. Steinfurth et al.: Observation of photonic constant-intensity waves and induced transparency in tailored non-Hermitian lattices, Sci. Adv. 8, eabl7412 (2022); DOI: 10.1126/sciadv.abl7412 - Experimentelle Festkörperoptik (A. Szameit), Institut für Physik, Universität Rostock
- Institut für theoretische Physik, technische Universität Wien, Österreich