23.01.2020

Aufbau von Naturstoffen bestimmen

Neue Kernspinresonanz-Methode gibt Aufschluss über die atomare Struktur von Naturstoffen.

Naturstoffe bilden die Basis vieler Medikamente. Doch um sie nutzbringend einzusetzen, müssen erst die Struktur und Stereochemie der Moleküle bestimmt werden. Das ist mitunter eine große Heraus­forderung, besonders wenn die Moleküle nicht kristallisierbar sind und nur wenige Wasserstoff­atome besitzen. Eine neue am Leibniz-Forschungs­institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) entwickelte NMR-basierte Methode erleichtert nun die Analyse und bringt genauere Ergebnisse. 
 

Abb.: Messung der Residual Chemical Shift Anisotropy in einem...
Abb.: Messung der Residual Chemical Shift Anisotropy in einem flüssig­kristallinen Medium (Bild: S. Hwang, FMP)

Naturstoffe stecken in Antibiotika, Schmerzmitteln oder Krebs­medikamenten. Sie spielen bei rund sechzig Prozent aller zugelassenen Arzneimittel eine Rolle. Pflanzen, Pilze und festsitzende Meeres­organismen sind besonders vielversprechende Quellen, weil viele von ihnen eine chemische Abwehr gegenüber Feinden besitzen. Doch potenzielle Wirkstoff­kandidaten zu identifizieren, ist eine Herausforderung. Forscher müssen zunächst die Struktur und räumliche Anordnung von Atomen des Moleküls genau bestimmen. Ohne diese Information lassen sich die Moleküle nicht synthetisieren und zu Medikamenten weiterentwickeln. Außerdem weiß man erst anhand der Struktur, ob das Molekül bereits zuvor gefunden worden ist.

Neben der Röntgenbeugungs­methode, die jedoch nur für die wenigen kristallisier­baren Moleküle anwendbar ist, nutzen Forscher zur Struktur­bestimmung üblicherweise die Kern­spinresonanz (NMR). Hierbei kommt neuerdings dem NMR-basierten Parameter „Residual Chemical Shift Anisotropy“ eine wichtige Bedeutung zu. Studien der letzten zwei bis drei Jahre haben gezeigt, dass sich mit diesem Parameter die Struktur und Stereochemie der organischen Moleküle sehr exakt bestimmen lässt. Allerdings werden dafür Apparaturen benötigt, die nicht in jedem Labor vorhanden sind. Hinzukommen zeitaufwändige Analysemethoden bei der Daten­auswertung.

Nun haben Wissenschaftler vom Leibniz-Forschungs­institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) eine neue Methode entwickelt, mit der sich die Residual Chemical Shift Anisotropy sehr viel einfacher und besser messen lässt. An der Studie waren außerdem Kooperations­partner aus China (Institute of Oceanology, Chinese Academy of Sciences und South Central University for Nationalities) und Brasilien (Universidade Federal de Pernambuco) beteiligt.

„Mit der Entwicklung unserer NMR-basierten Methode kann die Stereochemie von neuartigen Naturstoffen genauer und effizienter bestimmt werden“, sagt Han Sun vom FMP, die die Studie leitete. „Außerdem ist die Methode sehr leicht anzuwenden, so dass sie von jedem Chemiker genutzt werden kann.“

Für die Untersuchung werden die Naturstoffe mit einem frei verkäuflichen Peptid der Sequenz AAKLVFF zusammen­gebracht. Aufgelöst in Methanol wandeln sich die Peptide in Flüssigkristalle um, wodurch sie den Naturstoffen eine schwache Orientierung im Magnetfeld geben. „Durch diese bestimmte Orientierung können wir den Parameter Residual Chemical Shift Anisotropy der Moleküle messen, der uns wiederum präzise Informationen über deren Struktur und Stereochemie liefert“, beschreibt Chemikerin Sun das neue Verfahren.

Für die aktuelle Arbeit haben die Forscher einen noch unerforschten Naturstoff genutzt: Spiroepicoccin A wurde von den chinesischen Kooperationspartnern aus im Ozean lebenden Mikroorganismen isoliert. Der aus über 4500 Metern Meerestiefe stammende Stoff besitzt nur wenig Wasserstoff­atome an seinen Stereo­zentren und war damit eine Herausforderung für etablierte NMR Methoden. Doch dank der neuen Messmethode ließ sich seine Struktur und Stereochemie eindeutig aufklären. „Auch wenn wir mit unserer Methode bislang nur die relative und nicht die absolute Stereochemie messen können, haben wir mit unserer Arbeit einen wichtigen Beitrag zur vereinfachten Bestimmung von herausfordernden Naturstoffen erbracht“, sagt Sun. Pharmafirmen hätten schon Interesse angemeldet, „denn das Verfahren beschleunigt die Entwicklung neuer Medikamente. Und das ist auch unser Ziel.“ 

FMP / DE
 

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