22.04.2016

Auffällig blinkende Sterne

Überraschender Fund einer Population sehr alter RR-Lyrae-Sterne im Zentrum der Milchstraße.

Ein internationales Team von Astrophysikern unter Leitung von Andrea Kunder, Wissen­schaftlerin am Leibniz-Institut für Astro­physik Potsdam (AIP), hat eine überraschende Entdeckung gemacht: Der zentrale Bereich der Milch­straße beheimatet eine sehr alte Generation von Sternen, welche völlig andere Bewegungs­muster zeigen als die übrigen, jüngeren Sterne. Diese RR-Lyrae-Sterne sind über zehn Milliarden Jahre alt. Ihre abweichenden Umlauf­bahnen belegen, dass sie einen anderen und älteren Ursprung haben müssen als die übrigen Sterne im Zentrum. Aus ihren Unter­suchungen können die Astronomen somit Rückschlüsse auf die Entstehungs­geschichte des Kerns der Milchstraße ziehen.

Abb.: Ansicht der Milchstraße im infraroten Licht, aufgenommen von WISE. Die Masse des „Bulges“ ist auf eine zentrale Verdickung im Zentralbereich unserer Heimatgalaxie konzentriert. (Bild: NOAO / AURA / NSF / AIP / A. Kunder)

Mit der Vermessung der RR-Lyrae-Sterne ist es dem Team um Andrea Kunder erstmalig gelungen, zwei Komponenten des Kerns der Milch­straße – eine sehr alte sowie die dominierende, jüngere Komponente von Sternen im Zentrum der Galaxie – kinematisch voneinander zu trennen. Dafür nahmen die Astronomen zunächst zu verschiedenen Zeitpunkten über gut zwei Jahre Beobachtungs­daten von etwa 1.000 RR-Lyrae-Sternen auf. Für die Beobachtung nutzten sie den AAOmega-Spektro­graphen des Anglo Australian Teleskops im australischen Siding Spring. RR-Lyrae-Sterne ändern ihre Licht­intensität etwa einmal pro Tag, was ihre Vermessung schwieriger macht als die von nicht-variablen Sternen. Ihr Vorteil ist, dass sie als sogenannte Standard­kerzen dienen, mit denen Entfernungen präzise bestimmt werden können. Auch kommen sie nur in Stern­populationen vor, die älter als zehn Milliarden Jahre sind, wie beispielsweise in alten Kugelsternhaufen. Das Team beobachtete für die aktuelle Studie simultan hunderte von Sternen in Richtung der Konstellation Schütze.

Im nächsten Schritt untersuchten die Astronomen die Geschwindig­keiten und die chemische Zusammen­setzung der beobachteten RR-Lyrae-Sterne. So wie das heutige London oder Paris auf den Überresten alter Bauwerke aufgebaut ist, so hat auch die Milchstraße eine lange Entstehungs­geschichte, die zahlreiche Stern­generationen umfasst. Da schwerere Elemente wie Metalle erst in Sternen gebildet werden, sind junge Sterne deutlich reicher an Metall als ältere. Astronomen gehen daher davon aus, dass die ältesten Objekte der Milchstraße metallarme Sterne sind.

In den zentralen Regionen unserer Heimat­galaxie sind vor allem metallreiche Sterne – mit einem ähnlich hohem Metall­gehalt wie dem unserer Sonne – zu finden. Diese Sterne sind in einem „Bar“ genannten ovalen Bereich angeordnet und umkreisen das galaktische Zentrum alle in etwa der gleichen Richtung. Auch der Wasserstoff in der Milchstraße lässt dieses Bewegungs­muster erkennen. Daher ging man lange davon aus, dass alle zentrums­nahen Sterne sich entsprechend bewegen. Zur Überraschung der Wissenschaftler stellte sich jedoch heraus, dass die RR-Lyrae-Sterne von diesem Muster abweichen. Anstelle der erwarteten Umlaufbahnen zeigen sie zufällig verteilte Bewegungen, die nahe legen, dass die Sterne ursprünglich weit außerhalb dieses Bereichs, also zeitlich noch vor der Entstehung des „Bar“ geboren wurden.

„Wir waren davon ausgegangen, dass diese Sterne ebenso rotieren wie die übrigen Sterne im Zentrum“ so Kunder. Ko-Autor Juntai Shen vom Shanghai Astronomical Observatory ergänzt: „Nur ein Prozent der Gesamt­masse des ‚Bar‘ wird durch die RR-Lyrae-Sterne gebildet. Allerdings scheinen diese extrem alten Sterne, die wahrscheinlich die ersten Bausteine der Milchstraße waren, einen völlig anderen Ursprung zu haben als alle übrigen Sterne des Zentralbereichs.“

Als nächste Schritte wollen die Astronomen, den exakten Metallgehalt der RR-Lyrae-Sterne bestimmen sowie die Anzahl der untersuchten Sterne auf das Drei- bis Vierfache erhöhen.

AEI / DE

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