05.08.2016

Aufklärung in der Schmelzzone

Neuartiges Werkzeug bei der Opti­mie­rung von Com­poun­dier­pro­zessen.

Rotation, Scherung, Wärme und Druck – soweit ist klar, was es zur Compoun­dierung von Kunst­stoffen mit­hilfe von Doppel­schnecken­extrudern braucht. Aus Forschungs­sicht blieb bisher aller­dings die Frage unbe­ant­wortet, welche Mecha­nismen beim An­schmelzen und dem damit verbun­denen Energie­ein­trag in die Schmelz­zone wirken. Wissen­schaftlern des Fraun­hofer-Insti­tuts für Betriebs­festig­keit und System­zu­ver­lässig­keit ist es gelungen, mit inno­va­tiven Mess­techniken einen Ein­blick in diese Prozesse zu gewinnen. Ihre Erkennt­nisse werden der Com­poun­dier-Industrie in Zukunft eine sehr material- und prozess­spezi­fische Gestaltung der Schmelz­zone ermög­lichen.

Abb.: Versuchsaufbau zur Visu­a­li­sie­rung der plas­tischen Defor­ma­tion von Kunst­stoff­granulat. (Bild: Fh.-LBF)

Unter anderem wird es bei gleicher Prozesssicherheit mög­lich sein, den Energie­ein­trag in das Polymer auf das not­wendige Minimum zu redu­zieren und den gesamten Prozess wesent­lich profi­tabler zu gestalten. In dem opti­mierten Prozess wird das Polymer thermisch und mecha­nisch weniger beschädigt, was wiederum die mecha­nischen Eigen­schaften und die chemische Bestän­dig­keit des Produktes ver­bessert und die Emis­sionen redu­ziert, die durch die Verar­beitung ent­stehen.

Für die Compoundier-Industrie hat das initiale Auf­schmelzen eine große Bedeutung, da bis zu achtzig Prozent der gesamten Energie in der Plasti­fi­zier­zone und hier speziell in der ersten Knet­block­stufe einge­bracht wird. Ein mini­mierter Energie­ein­trag hätte daher ein viel­ver­spre­chendes Poten­zial, die Wirt­schaft­lich­keit zu ver­bessern und die Material­eigen­schaften durch eine schonen­dere Verar­beitung zu ver­bessern.

Für die systematische Untersuchung des Energie­ein­trages in der Auf­schmelz­zone gleich­läufiger Doppel­schnecken­extruder hat das Team ein neu­artiges Werkzeug ent­wickelt, mit dessen Hilfe sich der Quer­schnitt der Plasti­fi­zier­zone visu­ali­sieren lässt. Dazu setzen die Wissen­schaftler eine Hoch­ge­schwin­dig­keits­kamera ein. Mit einer Auf­lösung von zwei­tausend Einzel­bildern pro Sekunde konnten sie erst­malig die Bewe­gung, Defor­mation und das ini­tiale Auf­schmelzen von Kunst­stoff­granu­laten dar­stellen, doku­men­tieren und bewerten. Diese Auf­nahmen wurden mit einer hoch­auf­lösenden Dreh­momenten-Messung kombi­niert. Auf diese Weise lässt sich nun der mecha­nische Energie­ein­trag orts­auf­ge­löst jedem visu­ali­sierten Zustand zu­ordnen und die theore­tische Tempe­ratur­er­höhung berechnen.

Mit ihrem neuartigen Blick in die Aufschmelz­zone konnten die Wissen­schaftler bei­spiels­weise die plas­tische Defor­mation eines Poly­propylen­granu­lates beob­achten und doku­men­tieren. Es zeigte sich, dass das Granulat durch eine massive plas­tische Defor­mation zum Fließen gebracht wird und lokal ini­tial inner­halb von Sekunden­bruch­teilen plasti­fi­ziert. Dabei wird das Granulat zu­nächst zwischen der aktiven Flanke und der Zylinder­wand ver­klemmt. An­schlie­ßend folgt eine Defor­mation, welche in zwei Phasen ein­ge­teilt werden kann: Zu­nächst wird das Granulat ver­dichtet und in das freie Volumen ge­presst. An­schließend wird in dieses vor­kompak­tierte Volumen massiv Energie durch weitere plas­tische Defor­mation ein­ge­bracht.

Diese Vorgänge dauern bei einer Schneckendrehzahl von 1200 Um­drehungen pro Minute nur rund fünf Milli­sekunden. Neben der plas­tischen Defor­mation im Zwickel­bereich kommt es auch zu einer Kom­pression vor der aktiven Flanke. Die Forscher konnten auch klar­stellen, dass neben den Material­eigen­schaften vor allem geo­metrische Aspekte, wie beispiels­weise die Granulat­größe und –form, sowie das freie Volumen im Knet­block­bereich einen wesent­lichen Ein­fluss auf das Auf­schmelzen haben. Die Quanti­fi­zierung erfolgt mit einer hoch­auf­lösenden Dreh­momenten­messung.

Fh.-LBF / RK

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