Aufklärung in der Schmelzzone
Neuartiges Werkzeug bei der Optimierung von Compoundierprozessen.
Rotation, Scherung, Wärme und Druck – soweit ist klar, was es zur Compoundierung von Kunststoffen mithilfe von Doppelschneckenextrudern braucht. Aus Forschungssicht blieb bisher allerdings die Frage unbeantwortet, welche Mechanismen beim Anschmelzen und dem damit verbundenen Energieeintrag in die Schmelzzone wirken. Wissenschaftlern des Fraunhofer-
Abb.: Versuchsaufbau zur Visualisierung der plastischen Deformation von Kunststoffgranulat. (Bild: Fh.-LBF)
Unter anderem wird es bei gleicher Prozesssicherheit möglich sein, den Energieeintrag in das Polymer auf das notwendige Minimum zu reduzieren und den gesamten Prozess wesentlich profitabler zu gestalten. In dem optimierten Prozess wird das Polymer thermisch und mechanisch weniger beschädigt, was wiederum die mechanischen Eigenschaften und die chemische Beständigkeit des Produktes verbessert und die Emissionen reduziert, die durch die Verarbeitung entstehen.
Für die Compoundier-Industrie hat das initiale Aufschmelzen eine große Bedeutung, da bis zu achtzig Prozent der gesamten Energie in der Plastifizierzone und hier speziell in der ersten Knetblockstufe eingebracht wird. Ein minimierter Energieeintrag hätte daher ein vielversprechendes Potenzial, die Wirtschaftlichkeit zu verbessern und die Materialeigenschaften durch eine schonendere Verarbeitung zu verbessern.
Für die systematische Untersuchung des Energieeintrages in der Aufschmelzzone gleichläufiger Doppelschneckenextruder hat das Team ein neuartiges Werkzeug entwickelt, mit dessen Hilfe sich der Querschnitt der Plastifizierzone visualisieren lässt. Dazu setzen die Wissenschaftler eine Hochgeschwindigkeitskamera ein. Mit einer Auflösung von zweitausend Einzelbildern pro Sekunde konnten sie erstmalig die Bewegung, Deformation und das initiale Aufschmelzen von Kunststoffgranulaten darstellen, dokumentieren und bewerten. Diese Aufnahmen wurden mit einer hochauflösenden Drehmomenten-
Mit ihrem neuartigen Blick in die Aufschmelzzone konnten die Wissenschaftler beispielsweise die plastische Deformation eines Polypropylengranulates beobachten und dokumentieren. Es zeigte sich, dass das Granulat durch eine massive plastische Deformation zum Fließen gebracht wird und lokal initial innerhalb von Sekundenbruchteilen plastifiziert. Dabei wird das Granulat zunächst zwischen der aktiven Flanke und der Zylinderwand verklemmt. Anschließend folgt eine Deformation, welche in zwei Phasen eingeteilt werden kann: Zunächst wird das Granulat verdichtet und in das freie Volumen gepresst. Anschließend wird in dieses vorkompaktierte Volumen massiv Energie durch weitere plastische Deformation eingebracht.
Diese Vorgänge dauern bei einer Schneckendrehzahl von 1200 Umdrehungen pro Minute nur rund fünf Millisekunden. Neben der plastischen Deformation im Zwickelbereich kommt es auch zu einer Kompression vor der aktiven Flanke. Die Forscher konnten auch klarstellen, dass neben den Materialeigenschaften vor allem geometrische Aspekte, wie beispielsweise die Granulatgröße und –form, sowie das freie Volumen im Knetblockbereich einen wesentlichen Einfluss auf das Aufschmelzen haben. Die Quantifizierung erfolgt mit einer hochauflösenden Drehmomentenmessung.
Fh.-LBF / RK