Auftrieb durch Licht
Eine winzige Tragfläche, die in einem Lichtstrahl gleitet, haben Forscher in den USA getestet.
Eine winzige Tragfläche, die in einem Lichtstrahl gleitet, haben Forscher in den USA getestet.
Licht übt auf mikroskopisch kleine Objekte Kräfte aus, die sichtbare Folgen haben. So kann das Lichtfeld einer optischen Pinzette mikro- oder nanometergroße Teilchen dadurch festhalten, dass es sie polarisiert und in Bereiche mit höherer Lichtintensität zieht. Winzige Partikel werden auch durch den Strahlungsdruck des Lichtes beschleunigt, wie man am Staubschweif eines Kometen erkennen kann. Jetzt berichten Forscher vom Rochester Institute of Technology, dass transparente Mikroobjekte im Licht gleiten können wie eine Tragfläche im Luftstrom.
Auf ein Objekt, gegen das ein Gas oder eine Flüssigkeit in horizontaler Richtung anströmt, wirkt eine Kraft, die auch eine vertikale Komponente haben kann. Das sieht man an einer Tragfläche oder einem Autospoiler, bei denen diese Kraftkomponente nach oben bzw. nach unten zeigt. Die Kraft kommt dadurch zustande, dass das Objekt die Strömung ablenkt und die dadurch verursachte Impulsänderung auf das Objekt zurückwirkt. Die Tragfläche lenkt den Luftstrom nach unten und erfährt dabei Auftrieb, der Spoiler lenkt den Strom nach oben und wird dadurch nach unten gedrückt.
In ähnlicher Weise wirkt auch auf ein transparentes Objekt, das sich in einem Lichtstrahl befindet, aufgrund des Strahlungsdrucks eine resultierende Kraft. Damit die Voraussetzungen der Strahlenoptik erfüllt sind, sollte das mikroskopisch kleine Objekt größer sein als die Lichtwellenlänge. Die resultierende Kraft kommt dadurch zustande, dass der Strahl durch Lichtbrechung und Reflexion in Teilstrahlen aufgefächert wird, deren Richtung von der ursprünglichen Strahlrichtung abweicht. Da sich bei dieser Richtungsänderung auch die Photonenimpulse ändern, wirkt die Impulsänderung auf das Objekt zurück, sodass es eine Kraft und normalerweise auch ein Drehmoment erfährt.
Grover Swartzlander und seine Kollegen haben zunächst mit einem strahlverfolgenden Algorithmus untersucht, wie ein transparentes Objekt einen horizontalen Lichtstrahl in Teilstrahlen auffächert und ablenkt, und welche Kräfte und Drehmomente dabei auftreten. Das Objekt hatte die Form eines entlang seiner Achse halbierten Zylinders. Dieser Halbzylinder wurde wie eine Tragfläche quer in den Lichtstrahl gehalten. Die beiden entscheidenden Parameter waren (1) der Anstellwinkel α zwischen der glatten Fläche des Halbzylinder und der Lichtstrahlrichtung sowie (2) der relative Brechungsindex m=n1/n2, wobei n1 und n2 der Brechungsindex des Objekts bzw. des umgebenden Mediums ist.
Abb.: Eine halbzylindrische „Lichttragfläche“ erfährt im Laserstrahl einen Auftrieb, der sie quer zur Strahlrichtung davongleiten lässt. (Bild: Grover A. Swartzlander et al., Nature Photonics)
Die Berechnungen zeigten, dass das Objekt nur für bestimmte Anstellwinkel stabil in der „Lichtströmung“ lag und nicht aufgrund eines Drehmoments um seine Längsachse zu rotieren begann. Im Bereich 1<m<1,4 gab es insgesamt vier stabile Anstellwinkel: α1, α2, π– α1 und π– α2. Für m>1,4 blieben nur zwei Anstellwinkel über: α1 und π– α1. Die für die stabilen Anstellwinkel berechnete Kraft hing sehr stark vom relativen Brechungsindex m ab. Für kleines m zeigte sie schräg nach oben, für großes m schräg nach unten oder in horizontale Richtung. Für m=1,2 erreichte der Auftriebswinkel zwischen der resultierenden Kraft und der Lichtstrahlrichtung einen Wert von über 60°, wobei der stabile Anstellwinkel ca. 40° betrug.
In einem Experiment überprüften die Forscher ihre theoretischen Resultate. Dazu stellten sie mikrometergroße Halbzylinder aus Fotolack her, die sie in einer wassergefüllten Kammer von einem Laserstrahl mit 130 mW Strahlleistung und 50 µm Durchmesser bescheinen ließen. Der relative Brechungsindex betrug 1,2. Mit einem Mikroskop beobachteten sie die Bewegungen der einzelnen Halbzylinder. Tatsächlich nahmen die „Lichttragflächen“ umgehend einen stabilen Anstellwinkel an und drifteten dann mit bis zu 3,5 µm/s in der vorberechneten Richtung aus dem Laserstrahl heraus. Sie wurden demnach nicht zur hohen Lichtintensität in der Mitte des Strahls hingezogen. Bei einem Kontrollexperiment mit mikrometergroßen Kugeln trat die Drift im Laserstrahl nicht auf. Sie eignen sich also nicht als Lichtgleiter.
Nach Meinung der Forscher könnten die kleinen Lichtgleiter, zu einer größeren Einheit gebündelt und vom Sonnenlicht getrieben, Nutzlasten durch den Weltraum transportieren. Mit unterschiedlich orientierten Lichttragflächen ließe sich solch ein Transporter auch manövrieren. Den Hauptschub würde ein lichtreflektierendes Segel liefern.
RAINER SCHARF
Weitere Infos
KK