11.03.2020

Austauschwechselwirkung aufgedeckt

Kraftfeld einer chiralen magnetischen Spiralstruktur präzise ausgemessen.

Heutzutage wird intensiv daran geforscht, die einzelnen Bits in magnetischen Speichermedien auf wenige Nanometer oder sogar auf einzelne Atome herunter­zuskalieren. Dafür ist es notwendig, magnetische Eigenschaften auf der atomaren Skala abzubilden. Von zentraler Bedeutung für den Magnetismus ist die Austausch­wechsel­wirkung, die Werner Heisenberg 1926 basierend auf der Quantenmechanik gefunden hat und die zur Ausrichtung von „atomaren Stabmagneten“ in magnetischen Materialien führt. Forscher der Radboud Universität in Nijmegen und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben nun mittels eines neuartigen Mikroskops und quanten­mechanischen Rechnungen gezeigt, wie man diese Austausch­wechsel­wirkungen auf der atomaren Skala an einer magnetischen Spiral­struktur messen und verstehen kann. 
 

Abb.: Gemessenes Strombild und Kraftbild. In letzterem sieht man die einzelnen...
Abb.: Gemessenes Strombild und Kraftbild. In letzterem sieht man die einzelnen Atome der Oberfläche, die aufgrund der magnetischen Struktur unterschiedlich erscheinen. (Bild: N. Hauptmann)

In den 1980er Jahren haben Gerd Binnig und Heinrich Rohrer am IBM Forschungs­zentrum Rüschlikon in Zürich das Raster­tunnel­mikroskop erfunden, wofür sie später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden sind. In diesem Instrument wird eine atomar scharfe, metallische Spitze auf nur ungefähr einen halben Nanometer an eine leitende Oberfläche herangeführt. Bei diesem winzigen Abstand fließt ein kleiner elektrischer sogenannter Tunnelstrom zwischen Spitze und Oberfläche. Durch das Rastern der Spitze über die Oberfläche kann die Oberfläche auf atomarer Skala abgebildet werden. Bei Verwendung einer magnetischen Spitze wird sogar die magnetische Struktur zugänglich. 

Andererseits gibt es auch eine Kraftwirkung zwischen den Atomen der Spitze und denen der Oberfläche. Wenn Spitze und Oberfläche magnetisch sind, dann enthält diese Kraft auch einen Beitrag der Heisenbergschen Austausch­wechselwirkung. Kürzlich haben Forscher um Alexander Khajetoorians und Nadine Hauptmann von der niederländischen Radboud Universität in Nijmegen ein neuartiges Raster­sonden­mikroskop entwickelt, das es erlaubt, die Tunnelströme und die Kräfte auf magnetischen Oberflächen simultan zu messen. 

In ihrer jetzt vorliegenden Arbeit zeigen die Forscher, wie man mittels dieses Mikroskops das Kraftfeld der Austausch­wechselwirkung einer chiralen magnetischen Spiral­struktur mit ungeahnter Auflösung abbilden und quantifizieren kann. „Mit unserer neuen Technik können wir zeigen, dass die Kraftmessungen sogar noch sensitiver auf atomare Variationen der Austausch­wechselwirkung und der lokalen chemischen Umgebung sind als der Tunnelstrom“, sagt Nadine Hauptmann. 

Mit Hilfe von quantenmechanischen Rechnungen, die auf den Super­computern des Nord­deutschen Verbundes für Hoch- und Höchst­leistungs­rechnen (HLRN) durchgeführt worden sind, konnten die Kieler Physiker die experimentellen Beobachtungen erklären. „Unsere Rechnungen zeigen, dass das letzte magnetische Atom an der metallischen Spitze eine entscheidende Rolle für die gemessene Austausch­wechsel­wirkung spielt und es eine Konkurrenz verschiedener Austausch­mechanismen gibt“, erläutert Soumyajyoti Haldar von der CAU.

Mit ihrer Arbeit demonstrieren die Forscher den neuesten Stand der Technik hinsichtlich der höchst­auflösenden Abbildung komplexer magnetischer Strukturen und zeigen, dass man Austausch­wechsel­wirkungen auf atomarer Skala quantifizieren kann. Zukünftig wird man mit dieser Technik einzelne magnetische Atome oder magnetische Moleküle studieren können.

CAU / DE

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