01.02.2016

Autobahn für Spinwellen

Kontrolle der Spinwellen-Ausbreitung auf Nanoebene legt Grundlage für Nano-Schaltkreise.

Die Erfolgsgeschichte der Informationsverarbeitung mit bewegten Elektronen nähert sich langsam dem Ende. Der Drang zu immer kompakteren Chips stellt die Hersteller vor eine große Heraus­forderung, da die zunehmende Verkleinerung zum Teil unlösbare physika­lische Probleme bereitet. Die Zukunft könnte in magne­tischen Spin­wellen liegen, die schneller als elektro­nische Ladungs­träger sind und weniger Strom verbrauchen. Forscher des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossen­dorf und der TU Dresden konnten nun eine Methode entwickeln, um die Ausbreitung dieser Informations­träger auf der Nano­ebene gezielt und einfach zu kontrollieren, was bislang nur unter hohem Energie­verbrauch möglich war. Sie haben damit eine Grund­lage für Nano-Schalt­kreise gelegt, die auf Spin­wellen auf­bauen.

Abb.: In der Domänenwand, die sich in der Mitte zwischen den unterschiedlich ausgerichteten Magnetisierungen bildet, bleibt die Spinwelle gefangen. Forscher des HZDR konnten auf diese Weise ihren Ausbreitungsweg gezielt kontrollieren. (Bild: H. Schultheiß, HZDR)

Mit dem Begriff Spin bezeichnen die Wissenschaftler den Dreh­impuls der Elek­tronen um die eigene Achse. Dadurch ver­halten sich die elek­trischen Teil­chen wie extrem kleine Magnete. In ferro­magne­tischen Materialien richten sie sich parallel aus. „Lenkt man nun einen Spin in eine andere Richtung, beein­flusst das auch die Nach­bar­spins“, erläutert Helmut Schult­heiß vom HZDR. „So entsteht eine Spin­welle, die sich durch den Fest­körper fort­pflanzt. Mit ihrer Hilfe lassen sich, genauso wie bei fließenden Ladungs­trägern, Infor­mationen trans­portieren und verar­beiten.“ Um sich im Wett­rennen um die zukünftige Informations­verarbeitung durch­zu­setzen, werden aber Systeme benötigt, mit denen sich die Aus­breitung der Spin­wellen auf der Nano­ebene kontrollieren lässt. „Die bisherigen Ansätze beruhen entweder auf geo­metrisch vorge­gebenen Leiter­bahnen oder auf dem perma­nenten Einsatz externer Magnet­felder“, beschreibt Schult­heiß den Stand der Forschung. „Bei der ersten Lösung lässt sich der Aus­breitungs­weg nicht verändern, was für die Entwicklung von flexiblen Schalt­kreisen jedoch nötig wäre. Mit der zweiten Methode ließe sich das Problem zwar lösen. Dafür steigt aber der Energie­verbrauch enorm an.“

Den Wissenschaftlern gelang es nun, ein neues Verfahren zur gezielten Lenkung von Spin­wellen zu entwickeln, indem sie grund­legende magne­tische Eigen­schaften aus­nutzten: die Remanenz – also die Magne­tisierung, die ein Fest­körper nach dem Ent­fernen eines Magnet­felds beibehält – und die Entstehung von Domänen­wänden. „Mit dem Begriff bezeichnet man den Bereich in Fest­körpern, an dem unter­schiedlich ausge­richtete Magneti­sierungen aufeinander­treffen“, erklärt Schult­heiß. In einem Experiment stellten die Forscher eine solche Domänen­wand in einer Nano­struktur aus einer Nickel-Eisen-Legierung her. Mit Mikro­wellen lösten sie anschließend eine Spin­welle aus. Wie ihre Unter­suchungen gezeigt haben, blieben die Spin­wellen einer bestimmten Frequenz in der Domänen­wand gefangen, da die unter­schiedlich orien­tierten magne­tischen Bereiche als Einsperrung dienen. „Im über­tragenen Sinn könnte man sagen, dass wir eine Straße mit Leit­planke konstruiert haben, auf der sich die Spin­wellen kontrolliert aus­breiten“, freut sich Schult­heiß über das Ergebnis.

Die Dresdner Physiker konnten aber sogar noch einen weiteren Erfolg feiern. Über kleine externe Magnet­felder weit unter­halb eines Milli­tesla – etwa hundert­mal schwächer als ein handels­üblicher Hufeisen­magnet – mani­pulierten sie den Verlauf der Domänen­wand. Und damit gleich­zeitig die Aus­breitung der Spin­wellen. „Darauf könnte das Design rekon­figurier­barer Nano-Schalt­kreise aufge­baut werden, die über Magnonen funktio­nieren“, schätzt Schult­heiß ein. Trotzdem wird es, nach Ansicht des Forschers, bis zur Anwendung aber wohl noch einige Jahre dauern. „Wir sind immer noch im Stadium der Grund­lagen­forschung. Unsere Ergebnisse zeigen aller­dings, dass wir uns auf einem guten Weg befinden.“

HZDR / RK

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