04.11.2009

Bachelor ist nicht gleich Bachelor

Eine Studie der European Physical Society untersucht die Umsetzung der Bologna-Reform im Physikstudium.

Physik Journal – Eine Studie der European Physical Society untersucht die Umsetzung der Bologna-Reform im Physikstudium.

Wie haben die Länder in Europa den Bachelor eingeführt? Welche regionalen Unterschiede gibt es dabei? Diesen Fragen ging die European Physical Society (EPS) unter Mitwirkung des International Centre for Higher Education Research in einer Studie auf den Grund. Dafür verglich sie 152 Lehrpläne aus 24 Ländern im Hinblick auf die Dauer und Struktur des Bachelorstudiums in Physik. Darüber hinaus erhielten die jeweiligen Programmkoordinatoren einen Online-Fragebogen, in dem es z. B. um die Prüfungen oder den Grad der Spezialisierung und Internationalisierung des Studiums ging.

„Die Ergebnisse zeigen im Moment einen bunten Strauß an Varianten“, meint der Vizepräsident der EPS, Friedrich Wagner, der maßgeblich an der Studie beteiligt war. „Der ganze Prozess ist noch im Fluss.“ Dies liege hauptsächlich daran, dass der Bachelor in den einzelnen Ländern unterschiedlich lange existiert. In Großbritannien etwa hat er längst Tradition, in Deutschland ist die Umsetzung fast abgeschlossen. In Italien existieren zwar gesetzliche Regelungen, aber an der Umsetzung hapert es noch, und Spanien steht erst ganz am Anfang.

Bei der Länge des Studiums herrscht innerhalb Europas weitgehend Einigkeit. 90 Prozent der Physikstudiengänge dauern drei Jahre, aber es gibt auch welche mit vier oder fünf Jahren Regelstudienzeit. Die Vergabe von sog. Credit Points für Studienleistungen hat sich ebenfalls durchgesetzt. 75 Prozent der Studienpläne sehen ECTS-Punkte (European Credit Transfer Scheme) vor. Etwa 18 Prozent benutzen zwar ein nationales Punktesystem, das aber mit ECTS kompatibel ist. Für den Bachelor-Studiengang werden insgesamt zwischen 150 und 180 ECTS-Punkte verlangt.

Die Modularisierung der Studieninhalte, die Arbeitsbelastung der Studierenden (Student Workload) und die Lernziele werden dagegen in Europa sehr unterschiedlich verstanden und umgesetzt. Das zeigt sich z. B. beim „Student Workload“, der die gesamte Arbeitsbelastung der Studierenden durch Credit Points ausdrückt. Dies umfasst nicht nur die Kurse, an denen die Studierenden teilnehmen, sondern auch das Selbststudium, Hausaufgaben und Prüfungen. Danach soll es einen Punkt für etwa 25 bis 30 Stunden Arbeitsaufwand geben. In der Praxis kann das jedoch aufgrund unterschiedlicher Auffassungen von „Student Workload“ zwischen 7,5 und 40 Stunden variieren. Gleiches gilt für die Modulbildung und das Festlegen der Lernergebnisse. Auch die Art und Weise, wie sich die Endnote zusammensetzt, ist nicht einheitlich geregelt. Neben der Bachelorarbeit und dem Examen am Ende des Studiums gehen in unterschiedlichem Maße auch Tests und Hausaufgaben während des Studiums in die Note ein.

Auslandsaufenthalte von Studierenden zu fördern, war ein wichtiges Ziel der Bologna-Reform. Verbindliche Auslandsaufenthalte während des Physikstudiums sind aber nur in wenigen Ländern vorgesehen, z. B. in Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Etwa die Hälfte der Studiengänge bietet im dritten Jahr ein Zeitfenster für einen drei- bis fünfmonatigen Auslandsaufenthalt an. „Gerade in der Physik ist eine hohe Mobilität wichtig, um Netzwerke zu bilden“, sagt Friedrich Wagner. In der Praxis hat diese aber durch die engeren Stundenpläne eher abgenommen. „Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass die Mobilität, die auch im Physikstudium z. B. durch das Erasmus-Programm eine lange Tradition hat, wieder zunimmt“, betont er.

Was soll nach dem Bachelor kommen? Zwar gilt er als erster berufsqualifizierender Abschluss, dennoch sehen fast zwei Drittel der Physik-Fakultäten vor, dass die Studierenden den Master anschließen. In Frankreich wurde neben dem allgemeinen Bachelor ein sog. Professional Bachelor Programm eingeführt, das Studierende gezielt auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. Da der Bachelo-rabschluss in vielen Ländern noch neu ist, bleibt abzuwarten, wie sich der Übergang der Absolventen in den Arbeitsmarkt zukünftig entwickeln wird. Hinweise hierauf soll u. a. der zweite Schritt der Studie geben, bei dem nun in gleicher Weise die Masterpro-gramme unter die Lupe genommen werden. Die Ergebnisse sollen im Frühjahr 2010 vorliegen.

Für die Zukunft erwartet Friedrich Wagner, dass sich die Studiengänge stärker aneinander annähern. „Bei diesem Prozess spielen die nationalen Fachgesellschaften wie die DPG eine wichtige Rolle, ebenso wie die Zusammenarbeit mit den Physikinstituten der Universitäten, wie sie in Deutschland in der Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) erfolgt.“

Anja Hauck


AH

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