13.11.2009

Ballistisch reduzierte Wärmeleitung

Ein nanometergroßer Hot-Spot kühlt langsamer ab als erwartet, wenn sich die Phononen ballistisch bewegen.

Ein nanometergroßer Hot-Spot kühlt langsamer ab als erwartet, wenn sich die Phononen ballistisch bewegen.

Erwärmt man die Oberfläche eines Körpers punktuell mit einem Laserpuls, so fließt die überschüssige Wärmeenergie von diesem Hot-Spot weg. Dabei ist normalerweise das Fourier-Gesetz erfüllt: Der lokale Wärmestrom ist proportional zum Temperaturgefälle. Das setzt voraus, dass sich die Wärme diffusiv ausbreitet. Doch hinter der Wärmeausbreitung stehen quantisierte Gitterschwingungen oder Phononen, die sich über sehr kurze Distanzen geradlinig oder ballistisch durch den Kristall bewegen. Erst über eine Entfernung, die wesentlich größer ist als die freie Weglänge der Phononen, werden sie durch Gitterfehler so aus der Bahn geworfen, dass Wärmediffusion auftritt. Wie das ballistische Verhalten der Phononen auf kurzen Distanzen das Fourier-Gesetz verletzt, hat man jetzt am JILA in Boulder untersucht.

Margaret Murnane und ihre Kollegen gingen von der Frage aus, wie sich ein nanometerbreiter heißer Draht auf einer Saphir- oder Glasunterlage abkühlt. Wie klein muss die heiße Stelle sein, damit die ballistische Bewegung der Phononen die Abkühlung merklich beeinflusst und deutliche Abweichungen vom Fourier-Gesetz auftreten? Da unterschiedliche Theorien zu unterschiedlichen Antworten kamen, aber noch keine schlüssigen experimentellen Resultate zur ballistischen Wärmeleitung vorlagen, haben die JILA-Forscher eine neue Experimentiertechnik eingesetzt: Sie haben die Wärmeleitung mit ultrakurzen weichen Röntgenpulsen beobachtet.

 

 Abb.: Ein heißer Draht kühlt durch diffusive Wärmeleitung schneller ab als durch ballistische. (Bild: Mark E. Siemens et al., Nature)

Die Experimente wurden an Nanodrähten aus Nickel durchgeführt, die Breiten von 80 nm bis 810 nm hatten und fest auf einer Unterlage aus Saphir oder Glas saßen. Während beim kristallinen Saphir die mittlere freie Weglänge der Phononen über 100 nm groß war, betrug sie im amorphen Glas nur wenige Nanometer. Mit einem ultrakurz gepulsten Infrarotlaser wurden die Drähte erhitzt, während die transparente Probenunterlage zunächst kühl blieb. Um die Ausbreitung der Wärme von den Drähten in die Unterlage zu verfolgen, wurden sie mit weichen Röntgenpulsen von 29 nm Wellenlänge bestrahlt, die mit einer variablen zeitlichen Verzögerung auf die Infrarotpulse folgten. Die von den Drähten und der Probenunterlage reflektierten und gebeugten Röntgenstrahlen wurden von einer CCD-Kamera aufgenommen.

Die Röntgenstrahlen erfassten die Veränderungen, die das atomare Gefüge der Probenunterlage beim Einströmen der Wärme erfuhr. Daraus konnten die Forscher berechnen, wie gut die Wärme von den heißen Drähten in die jeweilige Unterlage geleitet wurde. Für die Glasunterlage ergab sich ein spezifischer Wärmeleitungswiderstand, der nahezu unabhängig von der Breite der Drähte war – wie man es nach dem Fourier-Gesetz erwarten würde. Für die Saphirunterlage hing der Wärmeleitungswiderstand jedoch sehr stark von der Drahtbreite ab: Für die sehr dünnen Drähte war er dreimal so groß wie für die dicken. Das ballistische Verhalten der Phononen lieferte somit bei den sehr dünnen Drähten einen großen Beitrag zum Wärmeleitungswiderstand, während es bei den dickeren Drähten fast keine Rolle spielte.

Die ballistische Bewegung der Phononen behinderte somit die Abkühlung der sehr dünnen Drähte ganz erheblich. Dadurch wurde das Fourier-Gesetz, das nur die Wärmeleitung durch die „diffusive“ Bewegung der Phononen berücksichtigt, verletzt. Die Drähte mussten allerdings wesentlich dünner sein als die mittlere freie Weglänge der Phononen. Diese Bedingung war im Experiment nur für die Saphirunterlage erfüllt, nicht aber für die Glasunterlage. Die gewonnenen Ergebnisse können dabei helfen, die Wärmeleitung in nanostrukturierten Objekten wie Schaltkreisen oder thermoelektrischen und photovoltaischen Strukturen besser in den Griff zu bekommen.

RAINER SCHARF

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