Bananenflanke in der Nanowelt
Untersuchungen des Skyrmion-Hall-Effekts zeigen überraschende Ergebnisse
Wissenschaftlern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist ein weiterer Durchbruch in der Grundlagenforschung für mögliche Datenspeichertechnologien der Zukunft gelungen. Bereits im März 2016 hatte das internationale Forscherteam Strukturen vorgestellt, in denen sich elektronische Daten wie auf magnetischen Schieberegistern, sogenannten Racetracks, in Form magnetischer Wirbelstrukturen oder Skyrmionen ablegen lassen. Die Idee verspricht schnelle Zugriffszeiten und hohe Speicherdichten bei niedrigem Energieverbrauch. Im Rahmen eines Folgeprojekts konnten sie nun die milliardenfach reproduzierbare Verschiebung von Skyrmionen zwischen verschiedenen Positionen erreichen, also genau der Vorgang, der im Racetrack-Schieberegister für den Transport von Information dienen soll. Damit ist ein weiterer kritischer Schritt für die Nutzung von Skyrmionen in Racetracks genommen.
Abb.: Die magnetische Struktur eines Skyrmions ist symmetrisch um dessen Kern, Pfeile zeigen die Richtung der Spins an. (Bild: B. Krüger, JGU)
Bei den Experimenten wurden Dünnschichtfilme verwendet, also vertikal, nicht symmetrisch gestapelte Nano-Lagen verschiedener Materialien, die zusammen die Inversionssymmetrie brechen und so jene speziellen Spinstrukturen, die Skyrmionen, stabilisieren. Die Strukturen ähneln konzeptionell einem Haarwirbel und lassen sich ebenso schlecht entfernen. Damit sind die Strukturen jedoch auch stabiler, was ein weiteres Argument für deren Nutzung in Speichertechnologie liefert.
Da Skyrmionen mit elektrischen Strömen verschoben werden können und sie eine abstoßende Kraft vom Rand eines Nanodrahts wie auch von einzelnen Defekten im Material spüren, verfügen sie über die einzigartige Fähigkeit, sich relativ störungsfrei durch ein Material zu bewegen. Gerade diese Eigenschaften sind besonders wünschenswert für die Racetrack-Speicher, bei denen statische Lese- und Schreibköpfe vorliegen und die magnetischen Bits an diesem vorbeigeführt werden. Damit wäre das Design zusätzlich auch extrem stoßresistent, was für mobile Anwendungen zentral ist. Ein wichtiger Aspekt bei der Skyrmion-Dynamik ist allerdings, dass diese sich nicht nur entlang der Stromrichtung bewegen, sondern auch eine Komponente senkrecht dazu aufweisen. Dies führt zu einem Winkel zwischen Skyrmion-Bewegung und Stromrichtung, den man als Skyrmion-Hall-Winkel bezeichnet und der theoretisch vorhergesagt ist. Die Skyrmionen sollten sich demnach unter dem konstanten Skyrmion-Hall-Winkel bewegen, bis sie den Rand des magnetischen Materials spüren und dann in einem konstanten Abstand zu diesem bleiben.
Im Rahmen ihrer aktuellen Forschungsarbeit haben die Forscher der JGU und des MIT nun zum einen bewiesen, das milliardenfach reproduzierbare Skyrmion-Bewegung praktisch tatsächlich möglich ist und mit hohen Geschwindigkeiten erfolgen kann. Zum anderen wurde auch der Skyrmion-Hall-Winkel näher untersucht. Dabei stellte sich überraschenderweise heraus, dass dieser von der Geschwindigkeit der Skyrmionen abhängt, also horizontale und vertikale Bewegungskomponenten nicht in gleichem Maße mit der Geschwindigkeit skalieren. Dies wird allerdings durch die Standardtheorien nicht vorhergesagt. Eine Deformation der Skyrmionen während der Bewegung könnte Teil der Erklärung sein, bis Skyrmionen jedoch komplett verstanden werden, bedarf es noch einiger theoretischer Arbeit.
„Es freut mich wirklich sehr, dass wir schon das zweite hochrangige Paper aus der Kollaboration zwischen JGU und MIT gewonnen haben. Gerade in so kurzer Zeit von nur wenigen Monaten ist das schon etwas Besonderes und ich bin froh, daran teilhaben zu können“, betont Kai Litzius, der als Stipendiat der Exzellenz-Graduiertenschule Materials Science in Mainz (MAINZ) in der Gruppe von Mathias Kläui forscht.
JGU / OD