Benachbarte Zwerggalaxien
Mithilfe von Simulationen konnte ein internationales Forscherteam den Ursprung der benachbarten Zwerggalaxien Draco, Ursa Minor und Andromeda IX entschlüsseln.
Mithilfe von Simulationen konnte ein internationales Forscherteam den Ursprung der benachbarten Zwerggalaxien Draco, Ursa Minor und Andromeda IX entschlüsseln.
Draco, Ursa Minor und Andromeda IX: Von allen bekannten Galaxien weisen sie den größten Anteil an dunkler Materie auf. Sie sind lichtschwache sphäroidale Zwergsysteme, enthalten kein Gas und sind als Satelliten mit unserer Milchstraße sowie der Andromeda-Galaxie assoziiert – den beiden größten Galaxien im so genannten lokalen Universum. Keines der bislang für ihre Entstehung vorgeschlagenen Modelle konnte aber ihren außergewöhnlich hohen Anteil an dunkler Materie und gleichzeitig ihre Nähe zu den ungleich größeren Galaxien erklären. Mithilfe von Simulationen an Supercomputern konnte jetzt ein internationales Forscherteam, dem auch Chiara Mastropietro von der Universitäts-Sternwarte der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München angehört, den Ursprung dieser Zwergsysteme entschlüsseln. Wie im Wissenschaftsmagazin „Nature“ berichtet, waren deren Vorläufer wohl gas-dominierte Zwerggalaxien, die sehr früh zu Satelliten größerer Systeme wurden. Aufgrund ihrer Nähe konnten die massiven Galaxien dann Kräfte entfalten, die das Gas ihrer kleinen Nachbarn entfernen, ohne auf die dunkle Materie zu wirken. Dies war aber nur möglich, weil gleichzeitig heiße kosmische UV-Hintergrundstrahlung Sternbildung im Gas verhinderte.
„Die Milchstraße und die Andromeda-Galaxie sind von einem Schwarm lichtschwacher sphäroidaler Zwerggalaxien umgeben“, berichtet Mastropietro. „Diese extremen Systeme enthalten nur wenige Sterne und kaum Gas. Sie bestehen fast nur aus dunkler Materie. Draco, Ursa Minor und And IX sind sogar die drei Galaxien mit dem höchsten bekannten Anteil an dunkler Materie.“ Im Team konnte die Astrophysikerin mithilfe von Supercomputern jetzt neuartige Simulationen zur Evolution dieser Galaxien entwickeln. Dabei zeigte sich, dass kleine Galaxien, die überwiegend aus dunkler Materie bestehen, zuerst normale gasreiche Systeme gewesen sein müssen. Vor etwa zehn Milliarden Jahren traten diese gasreichen Vorläufer der sphäroidalen Zwergsysteme in den Orbit einer sehr viel massiveren Galaxie. Zu dieser Zeit war das Universum angefüllt mit heißer Strahlung, der so genannten kosmischen UV-Hintergrundstrahlung, die das Gas in diesen Zwergsatelliten aufheizte und so die Bildung vieler Sterne verhinderte. Während sich ein Satellit der massiven Galaxie annäherte, begannen zwei Effekte zu wirken: der Stau-Druck und die Gezeitenkräfte.
Der Stau-Druck wirkt auf das Gas, wenn es sich um eine größere Galaxie herum bewegt und ist auf die Anwesenheit von heißem Gas im Umkreis dieser Galaxie zurückzuführen. In der Nähe des Zentrums der massiven Galaxie kann der Stau-Druck sehr stark werden und dann fast das gesamte Gas einer Satellitengalaxie entziehen. Gleichzeitig wirken auf die Satelliten aber auch Gezeitenkräfte, die in der Nähe einer sehr viel größeren Masse entstehen. Beide Effekte zusammen entfernten fast die gesamte leuchtende Materie der Satellitengalaxien – Gas und Sterne – und ließen dabei nur den Anteil dunkler Materie zurück. Diese blieb von den starken Kräften nämlich fast unberührt. Auf sie konnten nur die Gezeitenkräfte wirken, die alleine aber nicht genügen, um große Mengen dunkler Materie zu entfernen. „Nach unserem Modell sollten Zwerggalaxien, die später in die Nähe der Milchstraße kamen, immer noch Sterne produzieren“, so Mastropietro. „Es gibt sogar schon Kandidaten dafür. Im Fall dieser Systeme sollten die Gezeitenkräfte sogar periodische Ausbrüche von Sternbildung hervorrufen. Weitere astronomische Messungen und Beobachtungen werden hier mehr Details ans Licht bringen.“
Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München
Weitere Infos:
- Originalveröffentlichung:
L. Mayer, S. Kazantzidis, C. Mastropietro & J. Wadsley, Early gas stripping as the origin of the darkest galaxies in the Universe, Nature 445, 738 (2007).
http://dx.doi.org/10.1038/nature05552 - Universitäts-Sternwarte der LMU:
http://www.usm.uni-muenchen.de