Beschwingte Ionen
Außerordentliche Kontrolle über mechanische Oszillationen gefangener Ionen.
Die Ausnutzung besonderer Quantenzustände verspricht gerade für metrologische Aufgaben sehr hohe Empfindlichkeiten weit jenseits dessen, was sich mit klassisch-physikalischen Verfahren erreichen lässt. Interessant sind dabei unter anderem solche Zustände, bei denen sich zwei Eigenzustände mit maximal unterschiedlicher Energie in einer quantentypischen Überlagerung befinden. Auf diese Weise lässt sich die hohe Empfindlichkeit von interferometrischen Messverfahren bestmöglich ausnutzen. Wissenschaftler um Dietrich Leibfried vom National Institute of Standards and Technology in Boulder, Colorado, haben nun eine neue Methode der Ionenkontrolle vorgestellt, mit der sie die bislang zugänglichen Bereiche von Oszillationszuständen um ein Mehrfaches erhöhen.
Die meisten Ansätze zur Quantenkontrolle nutzen elektronische oder auch Kernzustände und nicht die mechanischen Freiheitsgrade, die sich meist im Grundzustand oder in nur schwach angeregten Zuständen befinden. Bei solchen Experimenten dient der Schwingungsfreiheitsgrad häufig einfach als sekundärer Freiheitsgrad, der etwa Informationen zwischen Ionen austauschen kann.
Wie die neuen Ergebnisse zeigen, kann man aber auch die mechanischen Schwingungsquantenzustände durchaus präzise kontrolliert in höhere Anregung versetzen. Die Forscher sperrten hierzu ein einfach ionisiertes Beryllium-9-Ion in eine kryogene elektromagnetische Falle. Die Temperatur betrug rund vier Kelvin. Dann steigerten die Wissenschaftler die Schwingungsquantenzahl dieses Ions schrittweise, indem sie alternierende ultraviolette Laserpulse auf dieses Ion strahlten. Deren Frequenz lag jeweils knapp unter und über der Frequenzdifferenz zwischen den beiden Spinzuständen des Ions. Jeder Puls drehte den Spin des Ions von Zustand „up“ in den Zustand „down“ oder umgekehrt, wobei sich jedesmal die Schwingungsquantenzahl um eins erhöhte. Dabei erreichten die Beryllium-Ionen Schwingungsquantenzahlen von bis zu 100.
Die Forscher konnten auch Überlagerungszustände erzielen, indem sie spezielle Laserpulse verwendeten. Wenn die Pulse nur auf die eine Hälfte der Wellenfunktion des Ions wirkten, dann nahm dieser Teil der Wellenfunktion schrittweise höhere Schwingungszustände an, während die andere Hälfte im Grundzustand verharrte. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler Überlagerungszustände von Grundzustand und angeregtem Zustand bis hin zu Schwingungsquantenzahlen von 18 erzielen.
Ein wesentlicher Punkt bei den Experimenten bestand darin, mögliche Störeinflüsse weitestgehend zu minimieren. So können elektrische Streufelder die Ionen leicht durch Energieaustausch aus der Ruhe bringen und die empfindlichen Quantenzustände stören. Die Wissenschaftler bewerkstelligten dies unter anderem dadurch, dass sie einerseits hochwertige Abschirmungssysteme einsetzten und andererseits für ein exakt definiertes Kühlverfahren sorgten. Dabei befand sich das Beryllium-Ion rund vierzig Mikrometer über den Goldelektroden der elektromagnetischen Falle. Hinzu kamen zahlreiche kleinere Verbesserungen, die sich in Summe in einer deutlichen Steigerung der Quantenkontrolle ausgezahlt haben. Dazu gehörten nicht nur eine höhere Stabilität bei der Laserleistung, sondern auch eine bessere mechanische Stabilität des gesamtem Aufbaus, an dem am National Institute of Standards and Technology seit über einem Jahrzehnt gebastelt wird. Die Forscher konnten dank dieser Fortschritte die Oszillationsfrequenz des Ions mit sehr hoher Präzision bestimmen und erreichten bei einer Schwingungsquantenzahl von zwölf eine Verbesserung von 6,4 Dezibel.
Das neue Verfahren lässt sich in Prinzip mit jedem quantenmechanischen harmonischen Oszillator umsetzen – auch mit solchen, die wie ein Pendel oder eine Sprungfeder vibrieren. Längerfristig gesehen können sich die Forscher sogar vorstellen, auf diese Weise Quanteninformationsverarbeitung zu leisten. Das könnte etwa so funktionieren, dass man die Phononen als Informationsträger einsetzt. „Die Kontrolle über die Ionenbewegung könnte auch helfen, die Güte von Gattern im Quantencomputing zu erhöhen“, sagt Katie McCormick von der University of Colorado, Erstautorin der Publikation. „Man könnte damit aber auch Quantensimulationen verbessern, indem man die Bewegungsquanten als bosonische Quasiteilchen in solchen Simulationen einsetzt.“ Zum jetzigen Zeitpunkt steht allerdings der Einsatz in der Metrologie im Fokus. Solche Ionen, die sich in Überlagerungszuständen befinden, könnten die Präzision bei Frequenzmessungen deutlich erhöhen. Im Vergleich zu bisherigen Methoden ließe sich so ungefähr eine Verdopplung der Frequenzgenauigkeit erzielen.
Dirk Eidemüller
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
K. C. McCormick et al.: Quantum-enhanced sensing of a single-ion mechanical oscillator, Nature, online 22. Juli 2019; DOI: 10.1038/s41586-019-1421-y - Ion Storage Group (J. Bollinger), National Institute of Standards and Technology NIST, Boulder, USA
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