Beschwingtes Jahr für Atome und Quanten
Jahresrückblick 2013: Manipulation und Interaktion einzelner Atome und Lichtteilchen ermöglicht neue Möglichkeiten in Quantencomputing und -kryptografie.
Schwingende Quanten für Kryptografie und Computing
Angesichts der zunehmenden Aufweichung von Bürgerrechten und Privatsphäre durch eine sich dreist über Verfassungsschranken hinwegsetzende Verschränkung aus Geheimdiensten und Internetunternehmen gewinnen kryptografische Verfahren zunehmend an gesellschaftlicher Relevanz. Auch wenn nicht zu erwarten ist, dass staatliche Behörden allen Bürgern eine nicht mehr abhörbare Kommunikation gewährleisten würden, so ermöglicht Quantenkryptografie theoretisch doch ein „Quantennetz für die Massen”. Wissenschaftler konnten ein solches Netz für 64 Teilnehmer realisieren. Der zentrale Knoten müsste aber auch hier gegen konventionelles Mitlauschen geschützt werden. Ein neues Protokoll für sicheres Bit-Commitment könnte sich außerdem als wichtiges Element in der Quanten-Krypto-Kommunikation erweisen. Aber Quantenkryptografie kann auch in die Luft gehen: Forscher konnten einen Quantenschlüssel von einem Flugzeug zu einer Bodenstation übertragen.
Abb.: Am Rumpf des Forschungsflugzeugs Do228-212 ist der Außenanbau des Laserterminals festgeschraubt. (Bild: DLR)
Der Austausch und die deterministische Manipulation und Speicherung von möglichst perfekten Quantenbits sind für Quantenkryptografie und -computing unabdingbar. Forscher verfolgen hierzu verschiedene Technologien. Eine Möglichkeit besteht darin, Ionen in einem Resonator gefangen zu halten und miteinander zu verschränken. Bei quantenlogischen Operationen sollte kein Photon verloren gehen. Ein hocheffizienter Einzelphotonendetektor sollte deshalb eine möglichst geringe Fehlerquote besitzen. Für den Hauptprozessor eines Quantenrechners könnten sich Nanoröhren eignen. Ein solches Modell kann bereits logische Grundoperationen durchführen.
Mittlerweile bieten sich auch spezielle Leuchtdioden an, um Quantenbits mit elektrisch erzeugten Photonenpaaren zu übertragen. Hierzu nutzte eine Forschergruppe sogenannte ELEDs (Entangled-Light-Emitting Diode). Die Forscher konnten ihr Verfahren sogar auf Quantenteleportation mit ungleichen Photonen erweitern.
Vibrierende Unschärfe
Obwohl die berühmte Debatte zwischen Bohr und Einstein über den Sinn der Quantenmechanik und die Bedeutung des Messprozesses inzwischen zu Recht in den Lehrbüchern der Wissenschaftsgeschichte ihren Platz gefunden hat, harren viele fundamentale Fragen noch immer noch einer Klärung. Auch wenn der Streit über die philosophischen Folgerungen der Quantenphysik sich nicht allein durch Messungen wird entscheiden lassen, so werfen diese doch neues Licht darauf, was die Quantenphysik eigentlich für eine Welt beschreibt. So ist es etwa möglich geworden, mit Hilfe von „schwachen“ Messungen den vollen Polarisationszustand von Licht zu rekonstruieren.
Abb.: Bei Messprozessen kommt es zu quantenmechanischen Störungen. (Bild: APS / A. Stonebraker)
Auch die quantentypische Unschärfe ist ins Visier der Forscher geraten. Die einem Quantensystem nach der Heisenbergschen Unbestimmtheitsrelation inhärente Unschärfe und die Störung durch eine Messung sind zwei verschiedene Dinge. Nachdem frühere Arbeiten darauf hinwiesen, dass sich die Unbestimmtheitsrelation hierdurch hintergehen lässt, kommt eine neue Studie zu anderen Schlüssen und bestätigt Heisenberg auch für allgemeine Messprozesse. Um den Kollaps der Wellenfunktion und den Übergang zwischen Quantenzuständen besser zu verstehen, ist jedoch nicht nur theoretische, sondern auch experimentelle Präzisionsarbeit gefragt. Forscher haben deshalb die Wechselwirkung eines einzelnen Atoms mit polarisierten Photonen überprüft. Man darf gespannt bleiben, wie sich die Forschung über diese grundlegenden Fragen weiter entwickeln wird.
Schrödingers Katze hat zahlreichen Nachwuchs geworfen: Forscher konnten den verschränkten Zustand einzelner Photonen auf eine makroskopisch große Anzahl von Photonen übertragen. Und auf einer quantenmechanischen Variante des Harmonischen Oszillators beruht ein weiteres wichtiges Modellsystem: der Dirac-Oszillator. Wissenschaftler konnten ihn mit einem geeigneten Mikrowellen-Resonator experimentell umsetzen. Und sollten Lichtteilchen übrigens doch eine extrem kleine Ruhemasse besitzen – prinzipielle Gründe sprechen nicht dagegen – so besäßen sie eine Mindestlebenszeit von drei Jahren. Dafür sprechen Messungen am kosmischen Mikrowellenhintergrund.
Atomuhren ticken immer genauer
Das Element Strontium gilt vielen als einer der heißesten Kandidaten für eine neue, präzisere Definition der Sekunde. Eine Verbesserung der Frequenzmessung an Strontium-Atomuhren um eine Größenordnung lässt dies immer näher rücken. Im Vergleich mit Cäsium-Atomuhren hat sich Strontium bereits als überlegen erwiesen. Aber auch gekoppelte Gitter aus Ytterbiumatomen liefern eine enorme Frequenzstabilität. In zwanzig Milliarden Jahren geht eine solche Uhr nur um eine Sekunde falsch.
Abb.: Im oberen Drittel des Fensters der UHV-Kammer ist das blaue Fluoreszenzlicht einer Wolke kalter Strontiumatome zu sehen (das tropfenförmige Gebilde unter dem blau fluoreszierenden Atomstrahl). (Bild: PTB)
Das Kollektiv schwingt immer recht
Rydberg-Atome sind dank ihrer starken Wechselwirkung mit elektromagnetischen Feldern interessante Bausteine von quantenoptischen Systemen. In einer ultrakalten Wolke aus Rubidiumatomen konnten Forscher eine deterministische Verschränkung von Rydberg-Zuständen mit Photonen herbeiführen. Mit Rydberg-Atomen lässt sich auch die Photosynthese nachstellen. Man kann Rydberg-Atome aber auch so aufblähen, dass das Orbital des angeregten Elektrons ein ganzes Molekül umfasst.
Bose-Einstein-Kondensate eignen sich nicht nur zur Erforschung grundlegender quantenphysikalischer Effekte. Einem Forscherteam gelang es, ein Kondensat zu realisieren, das einem Spin-Transistor entspricht. Und magnetische Wirbel könnten sich als sehr kompakte und langlebige Datenspeicher erweisen. Stabile Wirbelstrukturen können aus nur 15 Atomen bestehen. Dabei zeigten sich auch künstliche magnetische Monopole.
Bewegte und unbewegte Atome
Wer in seinem Labor aufräumen will, weil es ihm zu unordentlich geworden ist, kann sich neuerdings eines Traktorstrahls bedienen. Sollte die Technik sich automatisieren lassen und und auch größere Objekte als einige hundert Nanometer große Plastikkugeln bewegen können, würden sich ganz neue Möglichkeiten des Reinemachens eröffnen. Mit einem Rastertunnelmikroskop hingegen konnten Forscher schon gezielt und kontaktfrei Moleküle auf einer Kristalloberfläche verschieben.
Abb.: Einfallender und reflektierter Strahl bilden zusammen einen Traktorstrahl, der einzelne Teilchen gegen die Ausbreitungsrichtung des Lichts bewegen kann. (Bild: O. Brzobohaty et al. / NPG)
Das Plancksche Gesetz der Schwarzkörperstrahlung legte einst den Grundstein für die gesamte Quantenphysik. Bei sehr kleinen Objekten, deren Dimensionen unterhalb der typischen Wellenlänge für thermische Strahlung liegen, benötigt es allerdings eine Modifikation. Dies könnte auch für die Modellierung von Rußpartikeln in der Atmosphäre nötig sein, die nach Kohlendioxid die zweitwichtigste Rolle bei klimatischen Veränderungen spielen.
Während sich Ionen leicht beschleunigen lassen, ist es wesentlich schwieriger, neutrale Atomstrahlen mit hohen Energien herzustellen. Über eine Rydberg-Neutralisierung konnten Wissenschaftler nun neutrale Atomstrahlen mit Energien bis in den Megaelektronenvolt-Bereich erzielen.
Photonische Kristalle eignen sich nicht nur zur Manipulation von Licht. In den Nanohohlräumen eines solchen Resonators lassen sich auch einzelne Atome einsperren. Bei einem anderen Resonator-Experiment gelang es Wissenschaftlern, über den Kerr-Effekt einzelne Atome so zu kontrollieren, dass überraschende Überlagerungszustände auftraten. Bei bis zu vier Photonen gleichzeitig kollabierte der kohärente Anfangszustand nach kurzer Zeit, um dann aber periodisch wiederzukehren. Auch lassen sich in einem optomechanischen Resonator Photonen und Phononen stark miteinander koppeln und so wechselseitig modulieren.
Manche edlen Materialien besitzen auch faszinierende elektromagnetische Eigenschaften. Silber-Nanowürfel zeigen Plasmon-Resonanzen, die sie für ganz unterschiedliche optische Gerätschaften interessant werden lassen. Forscher konnte die Oberflächenplasmonen solcher Würfelchen nun dreidimensional abbilden. Und Diamanten sind nicht nur bei Schauspielerinnen beliebt, sondern auch bei Magnetoskopinnen. Bei geschickter Implantation von Stickstoff-Fehlstellen in ihr Kristallgitter eignen sie sich als extrem sensible und optisch auslesbare Magnetfeld-Sensoren. Damit liefern sie nicht nur kostbare Einsichten in die Spins einzelner Elektronen bei Umgebungsbedingungen, sondern sind auch ein Schmuck für jedes Labor.
Dirk Eidemüller
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