31.05.2018

Besser tasten mit bionischer Haut

Flexibles Sensormodul reizt lebende Muskel­zellen mit elektrischen Pulsen.

Mit flexiblen Tastsensoren können Roboter ihre Sinne erweitern und Prothesen eleganter gesteuert werden. Diesen Trend im Blick entwickelten nun koreanische und kalifornische Forscher ein Sensor­modul nach dem Vorbild der Verarbeitung von Tast­reizen in der Haut. Sie kombinierten mehrere Komponenten, um elektrische Pulse zu erzeugen, mit denen sich auch lebende Muskel­zellen gezielt anregen lassen. Dieser bionische Sensor imitiert damit eine gesamte, natürliche Nerven­bahn.

Abb.: Eine Schabe mit dem künstlichen Nervensensorsystem auf dem Rücken (Bild: Z. Bao et al., Stanford U.)

„Dieses künstliche Sensor-Nervensystem ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zu neuronalen Sensor­netz­werken nach dem Vorbild der Haut“, sagt Zhenan Bao von der Stanford University. Ihre Arbeits­gruppe entwickelte in den vergangenen Jahren viele Proto­typen für eine elektronische Haut, die empfindlich auf Tast­reize reagierten. Diese Sensoren verknüpften die Wissen­schaftler nun mit einen synaptischen Transistor, erdacht von Tae-Woo Lee von der Seoul National University.

Der Tastsensor selbst bestand aus einer dünnen und elastischen Kunststoff­folie. Auf einer Seite wies die Ober­fläche eine filigrane Struktur aus zahlreichen kleinen Pyramiden auf. Über und unter dieser Folie ergänzten Bao und Kollegen jeweils eine Elektrode aus Gold und aus Kohlen­stoff-Nano­röhrchen. Wurde diese Tast­folie nun mit schwachen Drücken zwischen einem und 80 Kilopascal belastet, wurden die Pyramiden-Strukturen ein­gedrückt und die Kontakt­fläche zwischen den beiden Elektroden vergrößerte sich. Damit verringerte sich der elektrische Wider­stand weitest­gehend linear von einigen Giga­ohm bis auf einige Dutzend Kilo­ohm.

Abb.: Prinzip des künstlichen Nervensensorsystems nach dem Vorbild der menschlichen Haut. Äußerer Druck führt zu Strompulsen, die Muskeln einer Schabe anregen können. (Bild: Z. Bao et al., Stanford U.)

An die Tastfolie kontaktierten die Wissenschaftler einen Ring­oszillator, der Spannungs­pulse mit Frequenzen von bis zu 100 Hertz erzeugte. Mit zunehmenden Druck auf die Tast­folie und sinkenden elektrischen Wider­stand stieg die Versorgungs­spannung des Ring­oszillators von knapp -2 Volt auf bis zu -5 Volt linear an. Parallel stiegen Frequenz und die Amplituden der erzeugten Spannungs­pulse. Diese Pulse gelangten darauf zum dritten Teil­stück des Sensor­moduls, einem synaptischen Transistor aus organischem Halb­leitern. Über die Spannungs­pulse gesteuert, lieferte der Transistor Strom­pulse mit wenigen Mikro­ampere und einer Leistung von bis zu 25 Mikrowatt, entsprechend den elektrischen Pulsen in natürlichen Nerven­bahnen.

Mit bis zu 500 Tastzyklen analysierten die Forscher die Empfindlichkeit ihres Sensor­moduls. So konnten mehrere parallel angeordnete Module die Bewegungs­richtung eines kleinen Stäbchens wahr­nehmen. Auch die Entzifferung von Braille-Schrift gelang mit Sensor­modulen, die leicht auf die punkt­förmigen Erhöhungen gedrückt wurden. Abschließend ließen sich mit den Strom­pulsen auch die Muskelzellen einer Schabe (Blaberus discoidalis) reizen, die mit einer Kontraktion reagierten.

Mit diesem bionischen Sensornerven­system ahmten die Wissenschaftler den natürlichen Tast­sinn erfolgreich nach. In weiteren Versuchen könnte es noch erweitert werden, um nicht nur als einfacher Druck­sensor zu dienen, sondern auch um komplexere Oberflächen­strukturen zu ertasten oder gar zwischen weichen und harten Materialien zu unterscheiden. Auch die Kombination mit Thermo­sensoren ist vorstellbar. Dann ließen sich Roboter mit einem Tast­sinn ausstatten, der relativ nah an die Empfindlichkeit menschlicher Haut heran­reichen könnte. Und Entwickler von Prothesen erhielten mit solchen Sensor­folien ein sensibles Feedback-System, um die Steuerung künstlicher Extremitäten zu optimieren.

Jan Oliver Löfken

DE

Veranstaltung

Spektral vernetzt zur Quantum Photonics in Erfurt

Spektral vernetzt zur Quantum Photonics in Erfurt

Die neue Kongressmesse für Quanten- und Photonik-Technologien bringt vom 13. bis 14. Mai 2025 internationale Spitzenforschung, Industrieakteure und Entscheidungsträger in der Messe Erfurt zusammen

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen