29.06.2004

Besuch beim «Herrn der Ringe»

Erstmals in der Raumfahrtgeschichte schwenkt eine Raumsonde in eine Umlaufbahn um den Ringplanet Saturn ein.


Besuch beim «Herrn der Ringe»

Erstmals in der Raumfahrtgeschichte schwenkt eine Raumsonde in eine Umlaufbahn um den Ringplanet Saturn ein.

Hamburg/Pasadena (dpa) - Der majestätische Ringplanet Saturn bekommt Besuch von der Erde: Erstmals in der Raumfahrtgeschichte schwenkt an diesem Donnerstagmorgen gegen 4.30 Uhr eine Saturnexpedition in eine Umlaufbahn um den Saturn ein. «Cassini-Huygens» ist zugleich die erste Raumsonde seit 23 Jahren, die in die Nähe des «Herrn der Ringe» kommt. Die früheren Raumsonden hatten Saturn auf ihrem Weg in die Außenbezirke des Sonnensystems lediglich flüchtig passiert.

Astronomen erhoffen von der Saturnexpedition eine Fülle von Antworten. Wie sind die Saturnringe entstanden, woher rühren ihre feinen Farbunterschiede und welche verborgene Energiequelle lässt den Ringplaneten nahezu doppelt so viel Energie abstrahlen wie er von der Sonne einfängt? Einer der Höhepunkte der amerikanisch-europäischen Expedition ist der für Januar 2005 geplante Abstieg der Landefähre «Huygens» auf den größten der 31 bislang entdeckten Saturnmonde, Titan.

So wie in dieser Computergrafik könnte es aussehen, wenn Cassini in die Umlaufbahn des Saturns eingeschwenkt ist. (Quelle: NASA/JPL)

«Titan ist wie eine Zeitmaschine, die uns in die Vergangenheit mitnimmt und zeigt, wie die Erde einmal ausgesehen haben könnte», erläutert «Cassini»-Wissenschaftler Dennis Matson vom Jet Propulsion Laboratory der US-Raumfahrtbehörde NASA, das das Gesamtprojekt leitet. «Huygens» ist ein Beitrag der Europäischen Weltraumagentur ESA und wird von Darmstadt aus kontrolliert.

Der zweitgrößte Mond im Sonnensystem übertrifft mit 5150 Kilometern Durchmesser sogar die Planeten Merkur und Pluto. Als einziger Mond des Sonnensystems besitzt Titan eine stabile Atmosphäre. Was «Huygens» unter den Methanwolken in der Stickstoffatmosphäre vorfinden wird, wissen die Forscher nicht genau. Es ist möglich, dass die wie ein knapp drei Meter großer Wok geformte Sonde auf Felsen oder Eis landet. Es könnten auf dem minus 180 Grad Celsius kalten Mond aber auch Ozeane aus Ethan, Methan und flüssigem Stickstoff wogen. «Dieser dunstige Mond könnte uns Anhaltspunkte dafür liefern, wie sich die primitive Ur-Erde zu einem belebten Planeten entwickelt hat», hofft Matson.

Die Erwartungen reichen aber noch weiter zurück in die kosmische Geschichte. Saturns nur einige hundert Meter dicke Ringe bestehen aus Eis- und Gesteinsbrocken von Sandkorn- bis Schiffscontainergröße. Das Saturn-System erinnert nach NASA-Angaben an eine Miniaturausgabe des frühzeitlichen Sonnensystems. «Das Saturn-System bildet ein unübertroffenes "Labor", in dem wir Antworten auf zahlreiche fundamentale Fragen zur Entstehung der Planeten und der lebensfreundlichen Bedingungen erhalten können», erläutert Ed Weiler aus der NASA-Zentrale.

Die knapp 2,5 Tonnen schwere Doppelsonde «Cassini-Huygens» ist mit insgesamt 18 wissenschaftlichen Instrumenten der NASA zufolge die bislang am üppigsten ausgestattete Planetenexpedition. In den kommenden vier Jahren soll «Cassini» den Saturn 76 Mal umkreisen. Das nach Angaben der Europäischen Raumfahrtagentur ESA rund 2,7 Milliarden Euro teure Gemeinschaftsprojekt ist zum einen nach dem holländischen Astronomen Christiaan Huygens (1629-1695) benannt, der nicht nur die Saturnringe, sondern auch Titan entdeckt hat. Der andere Namenspate ist der französisch-italienische Astronom Jean- Dominique Cassini (1625-1712), der die anderen vier großen Saturnmonde fand und als erster eine enge Lücke in den Saturnringen beobachtete, die heute Cassini-Teilung heißt. Inzwischen sind zudem zahlreiche schmale Lücken bekannt.

Drei Sonden haben den Saturn bislang besucht, «Pioneer 11» sowie die beiden «Voyagers». Diese Stippvisiten in den Jahren 1979 bis 1981 haben der NASA zufolge allerdings das Wissen über den vor allem aus Wasserstoff und Helium bestehenden Gasplaneten bereits stärker erweitert als Jahrhunderte der erdgebundenen Erforschung.

Die «Voyager»-Sonden bestätigten unter anderem auch, dass die Ringe keine exklusive Zierde des Saturns sind. Auch die drei anderen Gasriesen unseres Sonnensystems, Jupiter, Uranus und Neptun, haben Ringe, wenn auch nur sehr schmale. Und es könnte noch schlimmer kommen für Saturn: Einigen Berechnungen zufolge existieren Ringsysteme wie seines möglicherweise nur einige Dutzend Millionen Jahre - dieser Schmuck wäre auf der kosmischen Zeitskala flüchtig.

Till Mundzeck, dpa

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