„Bethe-Strings“ erstmals nachgewiesen
Spezielle Quantenspinzustände wurden von Hans Bethe 1931 erstmals theoretisch beschrieben.
„Bethe Strings“ sind Anregungen stark gebundener Elektronen-Spins in eindimensionalen Quantenspinsystemen. Benannt sind diese Quantenspinzustände nach dem Physiker Hans Bethe, der sie 1931 erstmals theoretisch beschrieben hat. Erstmals experimentell nachgewiesen wurden Bethe Strings jetzt von den Augsburger Physikern Alois Loidl und Zhe Wang, unterstützt von Kooperationspartnern aus Berlin, Dresden, Mumbai, Nijmegen und San Diego.
Abb.: In SrCo2V2O8 bilden die Kobalt-Ionen (Co2+) im Inneren einer Kette aus kantenverknüpften Sauerstoff-Oktaedern eine quasi-eindimensionale Elekronenspin-Kette mit Spin S = 1/2. (Bild: IfP, U. Augsburg)
Als Leiter der Theorieabteilung in Los Alamos an der Entwicklung der Atombombe mitwirkend, galt Hans Bethe als einer der führenden Kernphysiker. Den Physik-Nobelpreis erhielt er 1961 für die Theorie über die Energieerzeugung in Sternen. In seiner frühen wissenschaftlichen Karriere befasste sich Bethe allerdings intensiv mit Festkörperphysik, insbesondere mit der Elektronentheorie von Metallen. So veröffentlichte er 1931 in der „Zeitschrift für Physik“ einen Aufsatz mit dem Titel „Eigenwerte und Eigenfunktionen der linearen Atomkette“ über Quantenspinzustände in einer Dimension. Auf der Basis einer Theorie von Werner Heisenberg und mit dem Bethe-Ansatz, einer Methode, die theoretisch später vielfältig weiterentwickelt wurde und heute ein wichtiges mathematisches Werkzeug der statistischen Physik ist, gelang ihm eine exakte Lösung des eindimensionalen quantenmechanischen Vielteilchensystems.
Bei einem solchen System handelt es sich um eine eindimensionale Kette von Atomen auf festen Positionen, die einen Elektronen-Spin S = 1/2 tragen. Vielteichen-String-Zustände entsprechen Anregungen gekoppelter quantenmechanischer Spins, also magnetischer Eigendreh-Momente der Elektronen, die fest aneinander gebunden sich nahezu frei in der eindimensionalen Kette bewegen können. Das Fehlen passender eindimensionaler Materialien und geeigneter experimenteller Methoden machte die experimentelle Überprüfung derartiger Vielteilchen-String-Zustände und den Nachweis ihrer Anregungen bislang unmöglich. Extreme Fortschritte in der Materialsynthese einerseits und die Entwicklung von optischer Spektroskopie im Terahertz-Frequenzbereich in sehr hohen Magnetfeldern andererseits ermöglichten nun erstmals diesen experimentellen Nachweis.
In einem ersten Schritt wurden am Helmholtz-Zentrum in Berlin und im Hochfeld-Magnetlabor des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf SrCo2V2O8-Kristalle synthetisiert und charakterisiert. Diese Kristalle, in denen die Kobalt-Ionen eine eindimensionale Spinkette mit Spin = 1/2 bilden, wurden dann von Loidl und Wang im Hochfeld-Magnetlabor der Radboud-Universiteit in Nijmegen in einem weiten Magnetfeldbereich von 4 bis 28 Tesla untersucht. Die dabei entdeckten String-Anregungen konnten schließlich von Wissenschaftlern der University of California in San Diego mit dem Bethe-Ansatz berechnet und exakt beschrieben werden.
„Der von uns gelieferte Beweis der Existenz und der Stabilität dieser exotischen Spinstrukturen ist zunächst mit Blick auf die weitere Erforschung der Spindynamik im Bereich des Quantenmagnetismus ein enormer Fortschritt“, erläutert Loidl. Dies gelte darüber hinaus aber auch für zahlreiche weitere Bereiche, für die die Anwendung und Weiterentwicklungen des Bethe-Ansatzes von herausragender Bedeutung seien – angefangen bei kalten Quantengasen über die String-Theorie in der Elementarteilchenphysik bis hin zu Problemen in Quanteninformationssystemen.
U. Augsburg / JOL