05.05.2020

Beweis für Skyrmion-Röhren

Winzige Wirbelstrukturen in magnetischem Material wurden dreidimensional sichtbar gemacht.

Noch nie zuvor war es Wissenschaftlern gelungen, Skyrmionen – 100 Nanometer kleine Wirbel­strukturen, die in magnetischem Material vorkommen – drei­dimensional sichtbar zu machen. Bislang schloss man aus dem 2D-Abbild auf die dritte Dimension und vermutete daher lange, dass diese kleinen Strukturen aus­schließlich kugelförmig sind. Ein inter­nationales Forscherteam aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich ließ diese Mutmaßungen hinter sich: Die Wissenschaftler wollten wissen, welche Form ein Skyrmion wirklich hat. „Was wir gefunden haben, ist kein kugelförmiges Skyrmion, wie man es bisher angenommen hatte. Tatsächlich haben wir eine Skyrmion-Röhre entdeckt. Das konnte vor uns noch nie jemand experi­mentell nachweisen“, sagt Joachim Gräfe, Leiter der Forschungs­gruppe Nanomagnonik und Magnetisierungs­dynamik am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart. 

Abb.: Illustration der Skyrmion-Röhren­struktur, die nun erstmals...
Abb.: Illustration der Skyrmion-Röhren­struktur, die nun erstmals dreidimensional sichtbar gemacht wurde. (Bild: MPI-IS)

„Wir haben erstmals im Realraum Skyrmion-Röhren mit magnetischer Röntgen­bildgebung beobachtet und konnten mit vergleichender mikro­magnetischer Simulation ihre Struktur bestätigen“, so Gräfe. Seine Gruppe war Teil eines internationalen Forschungs­projekts, an dem auch Wissenschaftler der Durham University, den Universities of Southampton, Exeter, Warwick und Cambridge, des Helmholtz-Zentrums Berlin für Materialien und Energie sowie der Synchrotron-Strahlungs­quellen Bessy II in Deutschland, Soleil in Frankreich und der Diamond Light Source in Groß­britannien beteiligt waren. Die Forscher verwendeten 120 Nanometer dünne Eisen-Germanium-Lamellen, in denen sie die 3D-Strukturen der Röhren sichtbar machten. Sie wählten Eisen-Germanium, da dies ein Kristall ist, dessen Atome bereits spiral­förmig angeordnet sind. „Diese natür­liche Drehung im Kristall erleichtert die Bildung von Skyrmionen, die ebenfalls gedrehte Wirbel sind“, sagt Gräfe. 

Unter anderem half das Instrument Maxymus – „Magnetic X-ray Micro- and UHV Spectroscope“, das Verborgene sichtbar zu machen. Maxymus ist ein hoch­auflösendes Röntgen­mikroskop an der Synchrotron­strahlungsquelle Bessy II. Das Röntgen­mikroskop bildete die nur siebzig Nanometer kleinen Röhren ab. „Während Skyrmionen üblicherweise als zwei­dimensionale Objekte dargestellt werden, ist es in Wirklichkeit so, dass magne­tische Skyrmionen längliche, röhrenartige Objekte sein können, die sich durch das sie umgebende Material ziehen. Die Untersuchung dieses röhren­förmigen Aufbaus ist von ent­scheidender Bedeutung, um die Skyrmion-Bildung und -Vernichtung besser zu verstehen und sie damit besser anwenden zu können“, sagt Gräfe.

Skyrmionen gelten als topo­logisch geschützt, sie sind in ihrer Form unver­änderbar und stellen daher stabile Datenspeicher dar. „Jetzt da wir ihre Struktur kennen, wollten wir wissen: Wie lässt sich diese Stabilität überwinden?“, so Gräfe weiter. Das sei notwendig, um Skyrmionen, die Daten in spin­tronischen Geräten speichern, erzeugen und vernichten zu können. Die Röhren­struktur bietet hier den nötigen Ansatzpunkt: Wird die Röhre so weit verengt, dass sie nur noch einen Punkt dünn ist, bricht das Skyrmion auseinander. An diesem Bloch-Punkt sind alle Richtungen gleichwertig, hier kann sich die Röhre auftrennen und auseinander­schnappen. Diese Erkenntnis öffnet die Tür für weitere Unter­suchungen dieser bisher uner­forschten Skyrmion-Spin-Textur.

„Das Projekt war eine echte inter­disziplinäre Teamleistung. Wir hatten Experten aus verschiedensten Feldern – von der Kristallpräparation über die Modell­bildung bis hin zur Röntgen­mikroskopie“, so Max Birch von der Durham University. „Die Möglich­keit, unter­schiedliche Röntgen­instrumente und -techniken zusammenführen, war entscheidend für den Erfolg unseres Projekts.“ „Dank der inter­nationalen Kollaboration ist es uns gelungen, diese Röhren nachzuweisen – ein Meilenstein im Forschungs­feld Spintronik,“ sagt Gräfe.

MPI-IS / JOL

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