Beweis für Skyrmion-Röhren
Winzige Wirbelstrukturen in magnetischem Material wurden dreidimensional sichtbar gemacht.
Noch nie zuvor war es Wissenschaftlern gelungen, Skyrmionen – 100 Nanometer kleine Wirbelstrukturen, die in magnetischem Material vorkommen – dreidimensional sichtbar zu machen. Bislang schloss man aus dem 2D-Abbild auf die dritte Dimension und vermutete daher lange, dass diese kleinen Strukturen ausschließlich kugelförmig sind. Ein internationales Forscherteam aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich ließ diese Mutmaßungen hinter sich: Die Wissenschaftler wollten wissen, welche Form ein Skyrmion wirklich hat. „Was wir gefunden haben, ist kein kugelförmiges Skyrmion, wie man es bisher angenommen hatte. Tatsächlich haben wir eine Skyrmion-Röhre entdeckt. Das konnte vor uns noch nie jemand experimentell nachweisen“, sagt Joachim Gräfe, Leiter der Forschungsgruppe Nanomagnonik und Magnetisierungsdynamik am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart.
„Wir haben erstmals im Realraum Skyrmion-Röhren mit magnetischer Röntgenbildgebung beobachtet und konnten mit vergleichender mikromagnetischer Simulation ihre Struktur bestätigen“, so Gräfe. Seine Gruppe war Teil eines internationalen Forschungsprojekts, an dem auch Wissenschaftler der Durham University, den Universities of Southampton, Exeter, Warwick und Cambridge, des Helmholtz-Zentrums Berlin für Materialien und Energie sowie der Synchrotron-Strahlungsquellen Bessy II in Deutschland, Soleil in Frankreich und der Diamond Light Source in Großbritannien beteiligt waren. Die Forscher verwendeten 120 Nanometer dünne Eisen-Germanium-Lamellen, in denen sie die 3D-Strukturen der Röhren sichtbar machten. Sie wählten Eisen-Germanium, da dies ein Kristall ist, dessen Atome bereits spiralförmig angeordnet sind. „Diese natürliche Drehung im Kristall erleichtert die Bildung von Skyrmionen, die ebenfalls gedrehte Wirbel sind“, sagt Gräfe.
Unter anderem half das Instrument Maxymus – „Magnetic X-ray Micro- and UHV Spectroscope“, das Verborgene sichtbar zu machen. Maxymus ist ein hochauflösendes Röntgenmikroskop an der Synchrotronstrahlungsquelle Bessy II. Das Röntgenmikroskop bildete die nur siebzig Nanometer kleinen Röhren ab. „Während Skyrmionen üblicherweise als zweidimensionale Objekte dargestellt werden, ist es in Wirklichkeit so, dass magnetische Skyrmionen längliche, röhrenartige Objekte sein können, die sich durch das sie umgebende Material ziehen. Die Untersuchung dieses röhrenförmigen Aufbaus ist von entscheidender Bedeutung, um die Skyrmion-Bildung und -Vernichtung besser zu verstehen und sie damit besser anwenden zu können“, sagt Gräfe.
Skyrmionen gelten als topologisch geschützt, sie sind in ihrer Form unveränderbar und stellen daher stabile Datenspeicher dar. „Jetzt da wir ihre Struktur kennen, wollten wir wissen: Wie lässt sich diese Stabilität überwinden?“, so Gräfe weiter. Das sei notwendig, um Skyrmionen, die Daten in spintronischen Geräten speichern, erzeugen und vernichten zu können. Die Röhrenstruktur bietet hier den nötigen Ansatzpunkt: Wird die Röhre so weit verengt, dass sie nur noch einen Punkt dünn ist, bricht das Skyrmion auseinander. An diesem Bloch-Punkt sind alle Richtungen gleichwertig, hier kann sich die Röhre auftrennen und auseinanderschnappen. Diese Erkenntnis öffnet die Tür für weitere Untersuchungen dieser bisher unerforschten Skyrmion-Spin-Textur.
„Das Projekt war eine echte interdisziplinäre Teamleistung. Wir hatten Experten aus verschiedensten Feldern – von der Kristallpräparation über die Modellbildung bis hin zur Röntgenmikroskopie“, so Max Birch von der Durham University. „Die Möglichkeit, unterschiedliche Röntgeninstrumente und -techniken zusammenführen, war entscheidend für den Erfolg unseres Projekts.“ „Dank der internationalen Kollaboration ist es uns gelungen, diese Röhren nachzuweisen – ein Meilenstein im Forschungsfeld Spintronik,“ sagt Gräfe.
MPI-IS / JOL