Bieb-Bieb: Schrödingers Katze an Erde
Einem chinesischen Experimentalsatelliten gelingt der Aufbau eines Quantenkanals mit zwei Bodenstationen.
Das Vertrauen in die Datensicherheit der globalen Kommunikationsnetze hat in den letzten Jahre einige Dämpfer hinnehmen müssen. Die neue Technologie der Quantenkommunikation verspricht hingegen zumindest im Prinzip völlig abhörsicheren Datenaustausch: Denn wenn man zur Erzeugung von Quantenschlüsseln etwa verschränkte Photonen einsetzt, entspricht jeder Versuch des Mitlauschens nach den Gesetzen der Quantenphysik einer Messung, die den Zustand des Systems unweigerlich beeinflusst – was die beiden Kommunikationspartner misstrauisch machen sollte. Denn das quantenphysikalische No-Cloning-Theorem verbietet eine identische Kopie des ursprünglichen Zustands.
Abb.: Skizze des Experimentaufbaus für den Austausch von Quantenschlüsseln zwischen Satellit und Bodenstation.(Bild: J. Yin et al.)
Das Problem bei der Übertragung von Quantensignalen ist jedoch die unvermeidliche Streuung und Absorption von Lichtteilchen, sowohl in der Erdatmosphäre als auch in den besten Glasfaserkabeln. Das No-Cloning-Theorem ermöglicht zwar vom Prinzip her erst die Quantenkryptographie, allerdings erweist es sich auch als Hemmschuh für die technische Umsetzung: Denn es verbietet die Verstärkung von Quantensignalen, wie man es bei klassischen Signale tun würde. Selbst bei besten Bedingungen sind Quantensignale in Materie deshalb auf Distanzen von gut 100 Kilometern beschränkt. Forscher um Anton Zeilinger war es 2007 gelungen, zwischen den Kanareninseln La Palma und Teneriffa sogar bei Tag eine Quantenverbindung über 144 Kilometer aufzubauen.
Im luftleeren Raum gelten die Entfernungsbeschränkungen jedoch nicht: Deshalb gilt die Quantenkommunikation per Satellit als vielversprechendste Option für ein globales Quantennetzwerk. Forscher um Jian-Wei Pan von der University of Science and Technology of China in Hefei haben hierfür nun einen wichtigen Durchbruch erzielt. Mit Hilfe des Experimentalsatelliten „Micius“ konnten sie Quantenschlüssel zwischen zwei Bodenstationen austauschen, die 1203 Kilometer auseinander liegen – fast eine Größenordnung über dem Experiment auf den Kanaren. Nimmt man nicht die Bodenstationen, sondern die Wegstrecke der Photonen vom Satelliten aus zum Maßstab, kommt man sogar auf bis zu 2400 Kilometer.
Der Quantensatellit Micius – benannt nach dem latinisierten Namen des antiken chinesischen Philosophen Mozi – ist erst vor knapp einem Jahr ins All gestartet. An Bord trägt er eine Quelle für verschränkte Photonenpaare, die auf einem Sagnac-Interferometer basiert. Dieses hochempfindliche Bauteil mussten die Forscher aufwändig für die hohen Beanspruchungen im Weltraum konstruieren. Insbesondere die starken Vibrationen beim Raketenstart und die starken Temperaturunterschiede zwischen der Tag- und der Nachtseite der Erde stellen für quantenoptische Präzisionsinstrumente eine außerordentliche Beanspruchung dar. „Wir konnten hierzu keine Standard-Komponenten nutzen, sondern mussten viel Arbeit in alle Details stecken, um den ganzen Aufbau weltraumtauglich zu machen“, erklärt Jian-Wei Pan.
Das Quantensignal übermittelte Micius dann über zwei Spiegelsysteme an die 1,2 und 1,8 Meter durchmessenden Spiegel der Bodenstationen. Auch das Tracking per Laser und die exakte Ausrichtung der Spiegel stellte hohe Anforderungen an die Technik. Denn Micius fliegt in einem Orbit von rund 500 Kilometern Höhe und hat dadurch nur für jeweils 275 Sekunden Kontakt zu beiden Bodenstationen. Das reichte aber aus, um das Experiment wie geplant durchzuführen. Die verschränkten Photonen kamen an den Bodenstationen an, wobei sich das Rauschen in Grenzen hielt. Die Güte ihres Signals überprüften die Forscher mit Hilfe von Bell-Tests, die die quantentypische Nichtlokalität der verschränkten Photonenpaare erwartungsgemäß belegten. In Zukunft werden mit solchen Satelliten-Experimenten sogar Langstreckentests der Bellschen Ungleichung möglich, mit denen sich die Vorraussetzungen der Quantenphysik auf Herz und Nieren prüfen lassen.
Zwar lassen sich Langstrecken-Quantennetzwerke mit Hilfe von Zwischenstationen auch auf der Erde einrichten. Die chinesische Regierung hat etwa zwischen der Hauptstadt Peking und der Finanzmetropole Shanghai bereits eine rund 2000 Kilometer lange Strecke in Betrieb genommen. Da ein Quantensignal solche Strecken in einem Glasfaserkabel aber nicht überstehen kann, beinhaltet das Netzwerk siebzig Zwischenstationen. Bei einem globalen Netzwerk müsste man jeder dieser Stationen Vertrauen schenken können.
Das spricht zwar für ein Satelliten-Netzwerk – allerdings sind die technischen Hürden hierfür noch hoch: Die Datenrate beim chinesischen Experiment betrug nur rund ein Qantenbit pro Sekunde. Zudem befinden sich die Bodenstationen im Gebirge, um die dicken unteren Luftschichten und die Licht- und Luftverschutzung durch Großstädte zu vermeiden. Die Übertragung klappte auch nur bei Nacht: Obwohl Micius mehrmals täglich über China hinweg zieht, überstrahlt die Sonne alle Quantensignale so stark, dass die Datenübertragung unmöglich war. Nur bei völliger Dunkelheit nach ein Uhr nachts funktionierten die Systeme. Auch dann noch arbeiteten die Forscher mit sehr schmalbandigen Filtern, um das Streulicht des Mondes herauszufiltern.
Die chinesischen Wissenschaftler rechnen nach dieser eindrucksvollen Demonstration der Machbarkeit aber schon in den nächsten Jahren mit deutlichen Fortschritten. „Wir erwarten, dass sich die Datenrate in den kommenden fünf Jahren um den Faktor 1000 steigern lassen wird“, so Pan. Für die Zukunft planen die Wissenschaftler sogar eine Quanten-Interkontinentalverbindung von China nach Österreich, wo Pan eine Zeit lang geforscht hat.
Dirk Eidemüller
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