22.03.2017

Bio-Computer mit Parallel-Power

Netzwerk-basierte Bio-Computer könnten Quanten- und Supercomputer in wichtigen Anwendungen übertreffen.

Fehler in Software oder Computerchips verursachen Abstürze von Computern oder Smartphones und ermöglichen Hackern das Stehlen von Passwörtern. Automatisierte Prüfverfahren könnten diese Probleme vermeiden. Leider steigt die dafür benötigte Rechen­leistung exponentiell mit der Größe des Programms an. Daher sind für herkömmliche Computer der Energie­verbrauch, der Kühlungs­bedarf und die benötigte Rechen­leistung zu hoch, um große Programme zu überprüfen.

Abb.: Netzwerkbasierte Bioinformatik (Bild: T. Korten, C. Kowol)

Ein vor kurzem gestartetes Forschungsprojekt hat die Entwicklung eines Bio-Computers zum Ziel, der zwei Haupt­probleme der Supercomputer von heute überwinden soll: Zum einen verbrauchen Supercomputer erhebliche Mengen elektrischen Stroms, so dass die Entwicklung mächtigerer Computer vor allem an der Kühlung der Prozessoren scheitert. Zum anderen sind heutige Computer nicht besonders gut darin, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen. Der Bio-Computer auf Basis von molekularen Motoren verbraucht im Vergleich zu herkömmlichen Computern nur einen Bruchteil der Energie pro Rechen­operation. Außerdem kann er sehr viele Operationen gleichzeitig ausführen und ist daher besonders für Probleme wie die Software­überprüfung geeignet, bei der sehr viele Lösungen überprüft werden müssen.

Der Einfluss dieser Forschung beschränkt sich nicht auf das Design fehlerfreier Software: „Praktisch betrachtet können alle wirklich interessanten mathematischen Probleme der heutigen Zeit mit unserer derzeitigen Computer­technologie nicht effizient berechnet werden“, so Dan V. Nicolau vom britischen Unternehmen MolecularSense, das die initiale Idee zur Nutzung biomolekularer Motoren als Computer hatte. Diese Grenze, ab der ein Problem zu schwierig für einen Computer wird, möchte das hier vorgestellte neue Projekt durch die Nutzung biomolekularer Motoren als Recheneinheiten hinausschieben: Die Grundidee ist, dass die Nanometer-kleinen bio­molekularen Maschinen Probleme lösen, indem sie sich durch ein Netzwerk winziger Kanäle bewegen. Das per Nano­fabrikation hergestellte Netzwerk repräsentiert dabei einen mathematischen Algorithmus.

Dieser Ansatz wird von den Forschern als „netzwerk-basierter Bio-Computer“ bezeichnet. Jedesmal, wenn die Biomoleküle eine Kreuzung im Netzwerk erreichen, können sie entscheiden, ob sie eine Zahl addieren oder nicht. Jedes einzelne Biomolekül fungiert so als ein winziger Computer – mit Prozessor und Arbeits­speicher. Obwohl jedes Biomolekül für sich betrachtet viel langsamer rechnet als ein elektronischer Computer, kann die schiere Anzahl an Molekülen dank Selbst­organisation eine große Rechen­leistung entwickeln. Dieser Ansatz funktioniert im kleinen Maßstab auch schon in der Praxis, wie die Forscher zeigen konnten. „Wir nutzen die molekularen Motoren von Zellen, die in Milliarden von Jahren der Evolution optimiert wurden, als hoch­effiziente Nano­maschinen.” sagt Stefan Diez, der das teilnehmende Dresdner Forschungs­team leitet. „Die biologischen Rechen­einheiten können sich selbst vermehren, um sich der Schwierigkeit des mathematischen Problems anzupassen”, ergänzt Till Korten von der TU Dresden, Mitkoordinator des Bio4Comp-Projekts.

Das Forscherteam wird sich nun der Entwicklung der Technologie widmen, die zur Hoch­skalierung netzwerk­basierter Bio-Computer benötigt wird. Dabei haben sich die Forscher sich zum Ziel gesetzt, andere alternative Computer wie DNA-Computer oder Quanten­computer zu übertreffen. Das Forscherteam hofft, damit eine größere Gemeinschaft aus Wissenschaft und Wirtschaft anzusprechen, und so ein neues Forschungs­feld zu begründen. Um dies zu realisieren, haben sie eine Forschungs­förderung des Future & Emerging Technologies (FET) Programmes der EU in Höhe von 6,1 Millionen Euro erhalten. Das geförderte Projekt ist stark inter­disziplinär und bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Mathematik, Biologie, Ingenieur­wissenschaft und Informatik.

1,1 Millionen Euro der Forschungs­förderung gehen an die Gruppe von Stefan Diez, Professor für BioNanoTools am B CUBE, einem Forschungs­institut der TU Dresden, das sich der Erforschung und Entwicklung biologischer Materialien widmet. Die Gruppe von Stefan Diez wird Motorproteine der Zelle (z. B. Kinesin-1) modifizieren, um sie für ihren Einsatz in Bio-Computern und anderen nano­fabrizierten Geräten zu optimieren. Dabei werden sie von einer engen Zusammen­arbeit mit dem Center for Advancing Electronics Dresden (cfaed), einem der aktuellen Exzellenz­cluster der TU Dresden, profitieren. „Indem wir Motor­proteine optimieren, stellen wir nicht nur ideale Werkzeuge für die Nano­technologie her – sondern lernen auch viel über ihre Funktionsweise und über ihr Verhalten innerhalb der Zelle”, so Diez. Diese Erkenntnisse werden auch über dieses Forschungs­projekt hinaus nützlich sein, da zum Beispiel auch die Rollen der Motor­proteine bei Krankheiten wie Krebs oder Demenz untersucht werden können.

TU Dresden / DE

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